Danzig (Reuters) - Nach zwei Prognosesenkungen binnen weniger Monate wächst der Druck auf das Management von HelloFresh.

Einige Investoren zweifeln daran, dass der Lebensmittel-Versender mit seiner wachstumsstarken Fertiggerichte-Sparte die Schwäche des Kerngeschäfts mit Kochboxen ausgleichen kann. "Wenn das nicht zum Erfolg führt, werden Veränderungen dringend erforderlich", mahnt Portfolio-Manager Christian Reindl vom Vermögensverwalter und HelloFresh-Aktionär Union Investment.

Das Berliner Unternehmen will die Umsätze mit Fertiggerichten 2024 das zweite Jahr in Folge um 50 Prozent steigern. Allerdings drückten die Kosten für die europäische Expansion dieser bislang hauptsächlich in den USA aktiven Sparte auf die Gewinne, gibt DZ Bank-Analyst Thomas Maul zu bedenken. Wie schnell HelloFresh die Marge von derzeit vier Prozent in einen zweistelligen Prozentbereich steigern könne, bleibe abzuwarten.

Fertiggerichte seien zwar potenziell ein Multi-Milliarden-Geschäft, sagt Analyst Sebastian Patulea von der Investmentbank Jefferies. Es sei aber unklar, wie sich die Expansion nach Europa entwickeln werde. Sein Kollege Jo Barnet-Lamb von der Bank UBS sieht HelloFresh vor einem steinigen Weg. In den USA seien es die Menschen gewohnt, für einen schnellen Happen zu Fertiggerichten zu greifen. In europäischen Staaten wie Spanien oder Italien stehe dagegen die soziale Interaktion während eines gemeinsamen Essens im Vordergrund.

AUF HÖHENFLUG WÄHREND PANDEMIE FOLGT ABSTURZ

Wie Online-Händler und Lieferdienste erlebte auch HelloFresh während der Coronavirus-Pandemie einen Boom. Inzwischen essen die Verbraucher aber wieder öfter auswärts. Außerdem müssen viele von ihnen wegen der mauen Konjunktur und der gestiegenen Inflation den Gürtel enger schnallen. Dadurch hat HelloFresh im Vergleich zum Rekordstand von 2021 gut 90 Prozent seines Börsenwertes eingebüßt. "Wir lagen mit der Annahme falsch, unsere Gewinnspannen auf dem Spitzenniveau der Pandemie halten zu können", hatte Firmenchef Dominik Richter bei der Bekanntgabe der vorläufigen Zahlen für 2023 vergangene Woche eingeräumt.

Aus diesem Grund erwartet Portfolio-Manager Reindl im Rahmen der Bilanz-Pressekonferenz am Freitag die Ankündigung eines Restrukturierungsprogramms. "HelloFresh muss sich mit der Tatsache abfinden, dass die starken Wachstumsraten der Coronavirus-Jahre vorbei sind und die Kostenbasis angehen", sagt Reindl. Er rate dazu, einen Teil der Kapazitäten für das Kochboxen-Geschäft für Fertiggerichte zu nutzen. Dies sei günstiger als alles komplett neu aufzubauen. Ansonsten drohten Entlassungen und Werksschließungen. "Wir können keine Pläne für ein Restrukturierungsprogramm bestätigen", sagt dazu eine Sprecherin von HelloFresh.

(Bericht von Hakan Ersen, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Andrey Sychev und Paolo Laudani und Marleen Kaesebier