HEIDELBERG (dpa-AFX) - Beim Baustoffkonzern Heidelbergcement liefen zuletzt die Geschäfte trotz der Corona-Pandemie wieder besser. Deshalb gab Heidelbergcement-Chef Dominik von Achten für den Dax-Konzern wieder ein Gewinnziel aus. Um besser aus der Krise zu kommen, hatte der Manager Ende Februar ein neues Sparprogramm aufgesetzt. Zudem will von Achten den Konzern stärker auf Rendite trimmen und weniger profitable Konzernteile verkaufen. Was im Unternehmen los ist, was die Aktie macht und was Experten dazu sagen.

DAS IST LOS BEI HEIDELBERGCEMENT:

Von Achten hat seit seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr bereits einige Rückschläge erlitten. Keine zwei Wochen, nachdem er den Chefsessel von seinem Vorgänger Bernd Scheifele übernommen hatte, musste er eine überraschend schwache Umsatzentwicklung für das Jahr 2019 einräumen. Dann kam die Corona-Krise. Bereits im März strich der Manager seine ursprünglichen Ziele für das laufende Jahr und setzte Anfang Juli den Wert der Besitztümer von Heidelbergcement herab.

Zuletzt zeigte sich von Achten zuversichtlicher und gab für den Dax-Konzern wieder ein Gewinnziel aus. Für das gerade abgelaufene Jahr erwartet er einen um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen über dem Vorjahreswert von knapp 3,6 Milliarden Euro.

"Das dritte Quartal war gut, der Oktober war ordentlich und wir gehen davon aus, dass das ganze Jahr ordentlich wird", sagte er bei Vorlage der Zahlen zum dritten Quartal Anfang November. Das Unternehmen sei agil und flott genug, um auf alles vernünftig zu reagieren, was da komme, auch im Jahr 2021. Die erneuten Beschränkungen zur Bekämpfung der steigenden Zahl von Coronavirus-Infizierten dürften die Baustoffbranche weniger stark belasten als im Frühjahr. Er sei optimistisch, dass es keine zweiten Delle wie im Frühjahr geben werde, sagte von Achten.

Um gut durch die Corona-Krise zu kommen, hatte Heidelbergcement Ende Februar vergangenen Jahres ein neues Sparprogramm aufgesetzt. "Konzernweit haben wir seit dem Start des Programms über 700 Millionen Euro an Ausgaben eingespart. Wir liegen damit exakt im Plan", sagte von Achten. Insgesamt hatte das Unternehmen angekündigt, 2020 die Kosten um eine Milliarde Euro zu reduzieren. Dazu beitragen sollen etwa niedrigere Personalaufwendungen, freiwillige Kürzungen der Management-Gehälter, die Beschränkung von Investitionen sowie geringere Steuerzahlungen.

Bis 2025 will das Management die operative Marge (bereinigtes Ebitda zum Umsatz) um drei Prozentpunkte auf 22 Prozent verbessern. So plant Heidelbergcement, Prozesse und Strukturen in Vertrieb, Produktion und Verwaltung zu optimieren. Besser werden will das Unternehmen vor allem in Nordamerika, sagte der Konzernchef jüngst. Dort soll die Marge über alle Geschäftsbereiche hinweg um vier bis fünf Prozentpunkte steigen.

Auch will sich das Unternehmen, das etwa mit LafargeHolcim und der mexikanischen Cemex konkurriert, auf die stärksten Märkte konzentrieren - also Geschäfte verkaufen, die mittelfristig nicht die Renditeerwartungen erfüllen. Anfang des Jahres verkaufte Heidelbergcement sein Kuwait-Geschäft. Der Konzern habe fünf weitere Vermögenswerte identifiziert, die verkauft werden sollen, sagte ein Sprecher. Welche Länder davon betroffen seien und wie viel die Verkäufe einbringen werden, dazu äußerte er sich nicht.

Zuletzt gab es Gerüchte, dass das Unternehmen den Verkauf des Kalifornien-Geschäfts durchspielt. Der Dax-Konzern könnte mit diesem Zug laut der Finanznachrichtenagentur Bloomberg 1,5 Milliarden US-Dollar (rund 1,82 Milliarden Euro) einnehmen. Heidelbergcement plant aber auch selektive Zukäufe in bestehenden Märkten und will die Digitalisierung vorantreiben. Davon verspricht sich das Management erhebliche Effizienzgewinne und geringere Kosten in der Produktion und Verwaltung.

Sein ursprüngliches Ziel, die CO2-Emissionen auf unter 525 Kilogramm pro Tonne von zementartigem Material zu verringern, will das Unternehmen bereits bis 2025 erreichen und damit fünf Jahre früher als ursprünglich geplant. Damit werde die CO2-Emissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 30 Prozent reduziert, hieß es. Bis 2030 sollen die Emissionen pro Tonne von zementartigem Material auf unter 500 Kilogramm sinken.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Branchenexperten rechnen für das abgelaufene Jahr zwar im Schnitt mit einem Umsatzrückgang, der operative Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) dürfte hingegen dank der Kostensenkungen zulegen. Heidelbergcement legt am 23. Februar vorläufige Zahlen für das Gesamtjahr 2020 vor.

Analyst Thorsten Reigber von der DZ Bank geht von einem insgesamt guten vierten Quartal des Baustoffkonzerns aus. Positive Kurstreiber für 2021 könnten staatliche Infrastrukturprogramme in den USA und erste Umsetzungen der geplanten Desinvestitionen im Länder-Portfolio werden. Mit der demokratischen Mehrheit im US-Senat steht nach Ansicht von Analyst Xavier Marchand von der französischen Großbank Societe Generale (SocGen) die Entwicklung der US-Infrastruktur wieder auf der politischen Agenda. Rund 20 Prozent des Unternehmenswert des deutschen Baustoffkonzerns sei gerade aus diesem Bereich abzuleiten.

Alles in allem beurteilt Analyst Gregor Kuglitsch von der schweizerischen Großbank UBS die Aussichten für die europäische Baustoffbranche in diesem Jahr positiv. Sein Optimismus basiere vor allem auf der Hoffnung auf Konjunkturprogramme zur Ankurbelung insbesondere der US-Wirtschaft. Hinzu komme der starke Immobilienmarkt, der durch Neubauten oder Renovierungen von dem Wunsch der Menschen profitiere, ihre Wohnsituation zu verbessern.

Auch Analystin Cedar Ekblom von der US-Investmentbank Morgan Stanley zeigt sich für die Berichtssaison der Baustoffbranche optimistisch. Sie rechnet mit Belegen solider Wachstumstrends und positiven Nachfragesignalen. An den Markterwartungen dürfte sich angesichts der Skepsis bezüglich des Einflusses steigender Rohstoffkosten aber nichts wesentliches ändern.

Nach Ansicht von Analystin Elodie Rall von der US-Bank JPMorgan sollten Europas Baustoffkonzerne ein weiteres gutes Quartal mit gestiegenen operativen Ergebnissen (Ebitda) hinter sich haben. Diese positive Entwicklung sollte angesichts fiskalischer Stimulierungsmaßnahmen erst einmal anhalten - trotz Gegenwinds von der Kostenseite sowie der Gesetzgebung zu Kohlendioxid-Emissionen.

Die Resultate des Baustoffkonzerns dürften nach Ansicht von Analystin Glynis Johnson vom Analysehaus Jefferies aber die Aktie kaum antreiben. Die Messlatte für die Margen aus dem vorangegangenen Jahr liege nämlich hoch und die Bedeutung von Wechselkursveränderungen dürften zugenommen haben. Der Fokus der Anleger werde sich wohl verstärkt auf den Ausblick für den freien Barmittelzufluss (FCF) für 2021 sowie Updates zu Veränderungen im Unternehmensportfolio richten.

Nur mit begrenztem operativen Schwung bei Heidelbergcement rechnet Analyst Patrick Creuset von der US-Investmentbank Goldman Sachs. Deshalb rät er, das Papier zu verkaufen. Vor diesem Hintergrund seien die Titel höher bewertet als jene des Konkurrenten LafargeHolcim, die er weiter zum Kauf empfiehlt.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Aktie hat sich seit dem Tief im Corona-Crash im vergangenen Frühjahr kräftig erholt - der Kurs zog um rund ein Drittel an. Dennoch liegt das Papier noch minimal unter dem Niveau von vor einem Jahr - also bevor die Corona-Pandemie die Finanzmärkte in Europa und weltweit voll erfasst hat.

Das Papier zählt damit zu den 15 Verlierern unter den 30 Dax-Werten in diesem Jahr, allerdings halten sich die anders als zum Beispiel bei Bayer, Fresenius und MTU die Verluste mit knapp einem Prozent in Grenzen.

Die Heidelbergcement-Aktie knüpft mit dem Minus seit Februar 2020 an ihre schwache Entwicklung der vergangenen Jahre an. Seit dem Mehrjahreshoch von gut 96 Euro Anfang 2018 ging es bergab - das einstige Rekordhoch von 112 Euro aus den Zeiten vor der Weltfinanzkrise ist meilenweit entfernt.

Mit einem Börsenwert von knapp 13 Milliarden Euro zählt Heidelbergcement zudem zu den Leichtgewichten im Dax. Und auch im Vergleich zu den Konkurrenten LafargeHolcim und CRH steht der Konzern nicht gut da - sowohl mit Blick auf die Kursentwicklung als auch den Börsenwert.

Die Titel der beiden europäischen Konkurrenten konnten in den vergangenen fünf Jahren kräftig zulegen, während der Heidelbergcement-Kurs stagnierte. So kommt der französisch-schweizerische Konzern LafargeHolcim inzwischen auf einen Börsenwert von umgerechnet knapp 28 Milliarden Euro und auch CRH aus Irland spielt in dieser Gewichtsklasse./mne/zb/nas/he