HANNOVER (awp international) - Naturkatastrophen, Ukraine-Krieg und Pandemie haben den Versicherungskonzern Talanx (HDI) im ersten Quartal belastet. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von 256 Millionen Euro und damit knapp acht Prozent weniger als ein Jahr zuvor, wie das Unternehmen am Donnerstag in Hannover mitteilte. Trotz der Unsicherheiten wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine peilt der Vorstand um Talanx-Chef Torsten Leue für das laufende Jahr weiterhin einen Rekordgewinn zwischen 1,05 und 1,15 Milliarden Euro an. Die möglichen Auswirkungen des Kriegs liessen sich aber noch nicht umfassend abschätzen, hiess es.

An der Börse lösten die Neuigkeiten nur anfänglich einen Kurssprung um gut zwei Prozent aus. Danach ging es abwärts. Am frühen Nachmittag lag das Papier mit mehr als Prozent im Minus bei 39,22 Euro und gehörte damit zu den schwächsten Titeln im MDax , dem Index der mittelgrossen Werte. Seit dem Jahreswechsel hat die Talanx-Aktie damit rund acht Prozent eingebüsst.

Im ersten Quartal legte der Konzern für mögliche Versicherungsschäden infolge des Kriegs vorsorglich rund 150 Millionen Euro zurück. Den Löwenanteil der Summe machen laut Finanzvorstand Jan Wicke die Rückstellungen des weltweit drittgrössten Rückversicherers Hannover Rück aus, an dem Talanx gut die Hälfte der Anteile hält. Die Tochtergesellschaft hatte ihre Quartalszahlen bereits am Mittwoch veröffentlicht.

Während Hannover Rück in ihren Rückstellungen vor allem Schäden an Infrastrukturanlagen, Lagerhallen, Schiffen und Waren berücksichtigt hat, hat Talanx zusätzlich in der Industrieversicherung Geld für die Kriegsfolgen zurückgelegt. Dies betreffe vor allem politische Risiken und die Kreditversicherung, sagte Wicke in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Hinzu kämen mögliche Belastungen in der Luftfahrt-Versicherung, weil russische Fluggesellschaften seit Kriegsbeginn hunderte geleaste Flugzeuge nicht an deren Eigentümer im Ausland zurückgeben.

Die Ratingagenturen Fitch und Moody's gingen wegen der Flugzeuge zuletzt von einem möglichen Schaden von etwa zehn Milliarden US-Dollar (9,5 Mrd Euro) für die Versicherungsbranche aus. Allerdings ist umstritten, inwieweit die Versicherer dafür überhaupt geradestehen müssen. Hannover-Rück-Finanzchef Clemens Jungsthöfel erwartet, dass die Angelegenheit letztlich von Gerichten entschieden wird - und zwar nicht vor dem Jahr 2024.

Unterdessen baute der Talanx-Konzern einschliesslich Hannover Rück sein Geschäft im ersten Quartal kräftig aus. So wuchsen die Prämieneinnahmen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 16,5 Prozent auf 15,9 Milliarden Euro. Wegen der Rückstellungen für die Folgen des Kriegs und hohen Naturkatastrophenschäden ging im Schaden- und Unfallgeschäft allerdings ein grösserer Teil der Einnahmen für Schäden, Verwaltung und Vertrieb drauf: Die kombinierte Schaden-Kosten-Quote verschlechterte sich von 96,1 auf 98,3 Prozent und rückte damit näher an die kritische 100-Prozent-Marke.

Teuer kamen den Konzern vor allem Naturkatastrophen zu stehen - vor allem die Überschwemmungen in Australien mit rund 235 Millionen Euro. "Wir haben das ja schon bei 'Bernd' in Deutschland gesehen: Fluten sind sehr, sehr teuer", sagte Wicke mit Blick auf die verheerenden Überschwemmungen im Juli 2021. Diesmal richteten in Europa mehrere Winterstürme hohe Schäden an: Talanx verbuchte in diesem Zuge konzernweit eine Belastung von 164 Millionen Euro. Die Schäden betrafen neben der Rück- auch die Erstversicherung.

Auch die Pandemie ist für den Versicherer noch nicht vorüber. Todesfälle infolge der Corona-Pandemie in den USA, Lateinamerika und Südafrika belasteten die Rückversicherungssparte mit 123 Millionen Euro. Allerdings gingen die Belastungen den Angaben zufolge im Laufe des Quartals bereits zurück./stw/zb/he