München (Reuters) - Die großen deutschen Rückversicherer gehen unter dem Eindruck der Corona-Pandemie und der Dauer-Niedrigzinsen von steigenden Preisen in der Branche aus.

Weltmarktführer Münchener Rück sprach zum Auftakt der Vertrags-Erneuerungsrunde mit den Erstversicherern am Montag von einem härter werdenden Markt - was im Branchenjargon anziehende Prämien bedeutet. "Wir sehen Raum zu wachsen, wir werden aber sehr diszipliniert sein", sagte Doris Höpke, die im Vorstand für Europa zuständig ist, am Montag. "Wir achten im besonderen Maße auf angemessene Preise und Bedingungen." Auch Hannover-Rück-Vorstand Michael Pickel dringt in den Verhandlungen auf verbesserte Konditionen. "Auch für die Rückversicherer besteht Anpassungsbedarf. Neben den direkten Folgen der Pandemie lasten auch die abermals gesunkenen Zinsen auf den Ergebnissen der Versicherungsbranche."

Dabei sind die finanziellen Folgen der Pandemie für die Versicherer noch schwer abzusehen. Schätzungen für die Schäden - etwa durch abgesagte Großveranstaltungen oder Betriebsunterbrechungen - reichen von 30 Milliarden bis 107 Milliarden Dollar. "Es ist viel zu früh, sich auf eine Zahl festzulegen", sagte Höpke. "Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei. In Europa sehen wir gerade eine zweite Welle."

Der Rückversicherungsmakler Aon sieht die Schäden am unteren Ende. Er gehe eher von 30 Milliarden Dollar aus, sagte Aon-Deutschland-Chef Jan-Oliver Thofern. Große Versicherer und Rückversicherer hätten bisher 26 bis 27 Milliarden Dollar Schadenaufwand verbucht. Das reichte aber aus, die Branche in den ersten sechs Monaten insgesamt in die roten Zahlen rutschen zu lassen. Allein die Corona-Schäden trieben die Schaden-Kosten-Quote um 9,7 Prozentpunkte nach oben.

BETRIEBSUNTERBRECHUNGEN BELASTEN

Die Unsicherheit über die tatsächlichen Corona-Schäden sorgt dafür, dass die Kapazitäten in der Rückversicherung derzeit etwas zurückgehen. Kapital aus Versicherungsverbriefungen (ILS) stehe derzeit nur eingeschränkt zur Verfügung, weil unklar sei, wie viel davon zur Abdeckung der Corona-Risiken gebraucht werde, sagte Thofern. Die traditionellen Rückversicherer haben zwar im ersten Halbjahr Milliarden an frischem Kapital eingesammelt. Die Münchener Rück geht aber davon aus, dass sie in diesem Jahr nur noch 365 Milliarden Dollar einsetzen kann, um die Risiken der Erstversicherer abzufedern, knapp 30 Milliarden weniger als der Rekordwert von 2019.

In Deutschland sieht die Hannover-Rück-Tochter E+S Rück vor allem die Industrieversicherung betroffen. Sie hatte sich gerade von einem Preiskampf in der Feuerversicherung erholt, muss nun aber zusätzlich für Betriebsunterbrechungen infolge der Pandemie einstehen. Das erhöhe den Sanierungsbedarf weiter, sagte E+S-Rück-Chef Pickel. Den Autofahrern macht er wenig Hoffnung auf dauerhaft sinkende Prämien. Der Rückgang der Schäden im Frühjahr, als die Ausgangsbeschränkungen den Verkehr drosselten, dürften ein Einmaleffekt bleiben. "Für 2021 ist mit einer normalisierten Schadenbelastung zu rechnen", erklärte E+S Rück. Münchener-Rück-Vorstandsmitglied Höpke verwies darauf, dass der Trend zum Homeoffice zu sprunghaft steigenden Attacken durch Cyber-Kriminelle geführt habe.

Gewöhnlich treffen sich um diese Jahreszeit bis zu 2000 Rückversicherungsmanager und deren Kunden in Baden-Baden, um die Gespräche über die zum Jahreswechsel auslaufenden Verträge - vor allem für den deutschen Markt - aufzunehmen. Die Tagung wurde in diesem Jahr wegen der Pandemie abgesagt, die Diskussionen finden weitestgehend über Videokonferenzen statt.