(neu: Aussagen aus dem Gespräch mit Vorstand Massatschi, Analysten, Aktienkurs)

LUXEMBURG (dpa-AFX) - Der Gewerbeimmobilien-Spezialist Aroundtown hat im ersten Halbjahr vor allem von seiner Wohnimmobilien-Tochter Grand City Properties Auftrieb erhalten. Mieteinnahmen und Ergebnisse stiegen im Vergleich zum Vorjahr. Die Jahresziele für das laufende Jahr bestätigte Aroundtown am Donnerstag. Nach deutlichen Kursgewinnen im frühen Handel drehte die Aktie zeitweise ins Minus. Zuletzt legte das Papier wieder leicht zu.

In den ersten sechs Monaten stieg der operative Gewinn - gemessen an der in der Branche wichtigen Kenngröße Funds from Operations (FFO 1) - im Jahresvergleich um acht Prozent auf 185,6 Millionen Euro, wie das im MDax notierte Unternehmen in Luxemburg mitteilte. Dabei belasteten Stundungen etwa für Hotelmieten in Folge der Corona-Pandemie das Ergebnis mit rund 45 Millionen Euro. Hotels machen bei Aroundtown knapp ein Fünftel des Gesamtportfolios aus.

"Wir sind auf sehr gutem Weg, die Jahresziele zu erreichen", sagte Vorstand Oschrie Massatschi der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX. Im laufenden Jahr peilt das Unternehmen weiterhin einen operativen Gewinn von 350 bis 375 Millionen Euro an. 2021 war der FFO1 im Jahresvergleich um ein Prozent auf gut 353 Millionen Euro gesunken.

Die Nettomieteinnahmen kletterten im ersten Halbjahr um gut ein Drittel auf 612,5 Millionen Euro, was vor allem an der Übernahme von Grand City Properties lag. Dessen Beitrag wird erst sei Juli 2021 voll in der Konzernbilanz berücksichtigt. Die Mieten legten im sechsmonatigen Berichtszeitraum im Schnitt auf gleicher Fläche um 2,3 Prozent zu, ohne die Hotels stiegen sie um 2,9 Prozent.

Nach Einschätzung von Analyst Kai Klose von der Privatbank Berenberg lag die Halbjahresbilanz leicht über den Schätzungen von Experten. Zudem wertete er die starke Liquidität positiv. Für Analyst Charles Boissier von der Schweizer Großbank UBS trafen die Kennziffern der Immobiliengesellschaft die Erwartungen. Das Hotel-Geschäft sei aber nach wie vor schwach.

Aroundtown habe dank der Aufhebung der Corona-Beschränkungen im Gastgewerbe im zweiten Quartal von den gesamten Mieten 70 Prozent erhalten, im Juli sei die Quote auf 80 Prozent gestiegen, teilte das Unternehmen weiter mit. Allerdings leide die Rentabilität in der Hotelbranche unter den stark steigenden Kosten, etwa für das Personal. Dies wirke sich auch auf die Mieten aus, warnte Aroundtown. Für die zweite Jahreshälfte rechnet das Unternehmen deshalb mit einer Einzugsquote bei den Mieten von 70 bis 80 Prozent in seinem Hotelportfolio.

Derweil trennt sich das Unternehmen von weiteren Immobilien. Aroundtown habe im bisherigen Jahresverlauf den Verkauf von weiteren Gebäuden im Wert von 785 Millionen Euro unterzeichnet, teilte der Konzern mit. Damit summierten sich die geplanten Verkäufe auf insgesamt knapp 1,3 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr 2022 seien davon bereits Immobilien im Wert von 625 Millionen Euro veräußert worden. 2021 hatte der Gewerbeimmobilien-Spezialist Gebäude im Wert von 2,3 Milliarden Euro verkauft.

Darüber hinaus plant Aroundtown den Verkauf weiterer Immobilien. "Wir gehen immer wieder durch unser Portfolio", erläuterte Massatschi. Im Moment biete das Unternehmen Immobilien im Wert von rund einer halben Milliarde Euro zur Veräußerung an. Der Umfang könne sich aber in ein paar Monaten noch einmal erhöhen. Dabei handele es sich etwa um Immobilien, die nicht zum Kerngeschäft gehörten. "Wir wollen um den Buchwert verkaufen", machte er aber klar. Wenn das Unternehmen für seine Immobilien nicht den richtigen Preis bekomme, dann werde es diese auch nicht verkaufen. Denn Aroundtown habe ausreichend Liquidität.

"Mit dem Geld wird Aroundtown Schulden tilgen und weitere Aktien von Grand City Properties erwerben, aber auch neue Hotels und Büros kaufen", sagte der Manager. Letzteres mache das Unternehmen nur, wenn die Lage und der Preisnachlass attraktiv seien. "Deshalb haben wir in den letzten Monaten auch nicht gekauft, weil wir noch auf den optimalen Zeitpunkt warten", fügte er hinzu. In den kommenden Monaten werde das Unternehmen aber attraktivere Einstiegsmöglichkeiten sehen, ist er sich sicher. Denn immer mehr kleinere Immobilieneigentümer gerieten unter Liquiditätsdruck.

Der Immobilienkonzern habe in diesem Jahr bereits 800 Millionen Euro an Schulden getilgt und 200 Millionen Euro in Aktienrückkäufe gesteckt, sagte Massatschi. Vor ein paar Monaten hatte das Unternehmen sein Aktienrückkaufprogramm aufgestockt, bis zum Jahresende will es weitere eigene Aktien in einem Volumen bis zu einer halben Milliarde zurückerwerben.

Aufgrund der deutlich gestiegenen Material- und Arbeitskosten achtet der Konzern auf seine Ausgaben. "Wir sind in den letzten Monaten sehr diszipliniert, welche Renovierungen oder Baumaßnahmen wir durchführen", sagte Massatschi. Baurechte würde das Unternehmen eher an einen Entwickler verkaufen, als selbst zu bauen. Denn die Margen für Bauherren fielen aufgrund der gestiegenen Kosten immer geringer aus. Von dem geringeren Neubau sowohl im Wohn- als auch Gewerbemarkt profitierten die Bestandsimmobilien, die den Leerstand reduzieren könnten.

Unter dem Strich legte der Überschuss um 30 Prozent auf 471 Millionen Euro zu. Dazu trugen neben der Einbeziehung von Grand City Properties höhere Neubewertungen der Immobilien sowie niedrigere Kosten im Zusammenhang mit ausbleibenden Mieten bei.

Aroundtown wurde 2004 vom israelischen Geschäftsmann Yakir Gabay gegründet und 2015 von ihm an die Börse gebracht. Er hält über die Holding Avisco noch 15 Prozent der Anteile. Mit dem TLG-Kauf wurden die Luxemburger zum größten Anbieter von Büroimmobilien in Europa. Zudem ist das Unternehmen mit rund 58 Prozent am Wohnimmobilienkonzern Grand City Properties beteiligt./mne/ngu/mis