(Neu: Aussagen aus PK, Kursentwicklung, Hintergrund)

DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Eine hohe Nachfrage der Pharmaindustrie nach Glasampullen und Spritzen hat den Spezialverpackungshersteller Gerresheimer Ende 2020 Rückenwind verliehen. "Im vierten Quartal konnte Gerresheimer erste bedeutsame Umsatzerlöse aus der Herstellung und Lieferung von Injektionsfläschchen für Covid-19-Impfstoffe verbuchen", hieß es in der am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung zum Jahresergebnis. Auch das half eine träge Nachfrage der Parfümindustrie nach Flakons auszugleichen, denn vielen Kosmetikkonzernen macht das in der Corona-Krise weggebrochene Geschäft mit teuren Parfüms und Cremes an den Flughäfen zu schaffen. Die Aktionäre können sich auf eine Dividendenerhöhung um fünf Cent auf 1,25 Euro je Anteilsschein freuen.

Gerresheimer gehört mit Schott aus Mainz und Stevanato aus Italien zu den weltweit größten Herstellern von Fläschchen, die für Vakzine genutzt werden. Bis Ende 2022 wollen die Düsseldorfer rund eine Milliarde solcher Behältnisse für Coronaimpfungen an die verschiedenen Hersteller liefern - ein Fläschchen beinhaltet bis zu zehn Dosen. Insgesamt rechnet Gerresheimer damit, mehr als ein Drittel des weltweiten Bedarfs an Vakzinfläschchen abzudecken.

Für die Corona-Behältnisse rechnet Gerresheimer mit Verkaufserlösen von etwa 40 Millionen Euro, vier Millionen davon kamen schon 2020 in die Firmenkasse. Den großen Reibach macht der Konzern damit aber nicht, schließlich kostete der Ausbau der Fertigungsstätten Unternehmensangaben zufolge 30 Millionen Euro.

Konzernchef Dietmar Siemssen wies darauf hin, dass das Thema Corona angesichts von Mehrfachimpfungen und Mutationen "hochdynamisch" sei. "Wenn wir feststellen, dass das eine [...] regelmäßige Impfung wird und der Bedarf langfristiger wird, dann werden wir gegebenenfalls noch weiter investieren."

Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2020 (bis Ende November) schaffte der Konzern dank eines kräftigen Erlöswachstums im Schlussquartal doch noch ein kleines Umsatzplus auf 1,4 Milliarden Euro. Aus eigener Kraft, also ohne Belastungen durch Währungseffekte und Portfolioeffekte, sowie mit Blick auf das Kerngeschäft lag das Wachstum mit 3,8 Prozent etwas höher. Bei der Betrachtung des Kerngeschäft wird der jüngste und mit Abstand kleinste Geschäftsbereich Advanced Technology ausgeklammert.

Dieses Geschäft rund um Geräte zur Medikamentenverabreichung, wie Mikropumpen zur Behandlung von Parkinson, erzielte 2020 weniger als 10 Millionen Euro Umsatz. Das soll aber bald mehr werden, so die Hoffnung. Gerresheimer sieht den Bereich als Innovationstreiber. Aktuell wird etwa in einem Projekt zur Entwicklung einer Mikropumpe zur Behandlung von Herzerkrankungen ein Partner bei der Zulassung unterstützt und es wird an Mikropumpen-Technologie für die Dosierung großmolekularer biologischer Medikamente gearbeitet.

Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sowie vor Sondereffekten blieben für den Konzern 2020 vom Umsatz 21,9 Prozent hängen, absolut also rund 310 Millionen Euro. Das ist zwar mehr als ein Fünftel weniger als im Jahr zuvor, doch lag das an Sondereffekten im Jahr 2019. Damals hatte Gerresheimer unter anderem einen Sonderertrag durch eine nachträgliche Kaufpreisminderung für die Übernahme von Sensile Medical verbucht. Im Kerngeschäft legte das operative Ergebnis aus eigener Kraft um fast acht Prozent zu. Umsatz und bereinigtes Ebitda lagen in etwa auf dem Niveau der Analystenschätzungen. Unter dem Strich entfällt auf die Aktionäre von Gerresheimer ein Gewinn von 89,9 Millionen Euro, ein Plus von fast neun Prozent.

Die Aktien gerieten am Donnerstag trotz erfüllter Erwartungen ein wenig unter Druck und fielen um 1,4 Prozent auf 92,85 Euro. Damit blieben sie in ihrer jüngsten Spanne. Sie pendeln schon seit Anfang Dezember zwischen rund 85 und etwa 95 Euro.

Für das neue Jahr gibt sich Konzernchef Siemssen, dessen Vertrag nun bis Ende Oktober 2026 verlängert wurde, weiterhin zuversichtlich. Der Umsatz soll im Kerngeschäft währungsbereinigt im mittleren einstelligen Prozentbereich steigen. Als Ebitda sollen von Umsatz zwischen 22 und 23 Prozent operativer Gewinn hängen bleiben, mittelfristig dann rund 23 Prozent. Der bereinigte Gewinn je Aktie - seit kurzem die zentrale Leistungskennzahl für das Management - soll um die zehn Prozent zulegen nach 3,90 Euro im alten Jahr.

So steckt Gerresheimer kurzfristig einiges Geld in den Kapazitätsausbau etwa bei Injektoren sowie in der Auftragsfertigung von Autoinjektoren. Das lastet erst einmal auf der Profitabilität, soll das Umsatzwachstum aber ankurbeln. Zusammen mit einem Fokus auf Innovationen, schnell wachsende Regionen sowie komplexere Produkte sollen mittelfristig im Kerngeschäft ein Umsatzwachstum vor Wechselkurseffekten im hohen einstelligen Prozentbereich und eine bereinigte Ebitda-Marge von rund 23 Prozent erreicht werden. Der bereinigte Gewinn je Aktie soll dann mindestens um die 10 Prozent jährlich wachsen.

Analyst Sven Kürten von der DZ Bank hatte sich erst jüngst positiv zu den Geschäftsaussichten geäußert. Der wichtigste Treiber sei der Trend zu biopharmazeutisch erzeugten Arzneimitteln, die aufgrund ihrer sensiblen Struktur überwiegend in Glasverpackungen abgefüllt würden. "Dabei profitiert Gerresheimer einerseits von seinen klassischen Glasfläschchen und Ampullen. Andererseits werden diese Medikamente häufig intravenös verabreicht. Dabei erweisen sich aufgrund zahlreicher Vorteile bei der Verabreichung bereits vorbefüllte Spritzen aus Glas als sehr nützlich."

Dieses Geschäft könnte sich in Zukunft auch mit Blick auf das Corona-Impfgeschäft als nützlich erweisen. Sollten zukünftig regelmäßige Coronaimpfungen notwendig sein, könnte sich der Bedarf der Pharmabranche in einigen Jahren ändern, hieß es vom Unternehmen. Dann würden die Vakzine vielleicht nicht mehr in Glasfläschchen geliefert, die Mediziner mit Einmalspritzen herausholen und verabreichen, sondern in vorgefüllten und zur Anwendung fertigen Glasspritzen - so wird dies mitunter bei normalen Grippeschutzimpfungen gehandhabt./mis/wdw/zb/stk