(Neu: Aussagen aus der Telefonkonferenz zu Wachstumszielen und Geschäftsentwicklung, Berenberg-Analyst.)

DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Die Nachfrage nach Injektionsfläschchen, Spritzen und Spezialampullen für Medikamente liefert dem Verpackungshersteller Gerresheimer weiter Rückenwind. Und auch das Geschäft mit Flakons und Parfümfläschchen kommt langsam wieder in Tritt, nachdem während der Corona-Krise das für die Parfümhersteller wichtige Geschäft an den Flughäfen weggebrochen war. Für Gegenwind auf der Gewinnseite sorgten im zweiten Geschäftsquartal höhere Energiekosten. Das erste Geschäftshalbjahr war laut Konzernchef Dietmar Siemssen dennoch das erfolgreichste der Unternehmensgeschichte. Die Aktionäre reagierten aber mit Enttäuschung. Analysten monierten den freien Mittelzufluss (Free Cashflow) und die kurzfristigen Perspektiven für die Gewinnmarge.

Die Aktien knickten am Dienstag ein und fielen am Nachmittag um zuletzt rund 8 Prozent auf 90,30 Euro. Allerdings war der Kurs zuletzt gut gelaufen. Seit dem Rückschlag infolge der Zahlen für das erste Geschäftsquartal Anfang April hatte er sich in den vergangenen Monaten um gut 20 Prozent nach oben gearbeitet.

In zweiten Geschäftsquartal bis Ende Mai stieg der Umsatz währungsbereinigt im Jahresvergleich um 7,5 Prozent auf 377 Millionen Euro. Im Kerngeschäft betrug das Plus gut 7 Prozent. Inklusive Wechselkursbelastungen fiel das Plus aber geringer aus. Vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen sowie vor Sondereffekten (bereinigtes Ebitda) blieben vom Umsatz im Kerngeschäft 22,6 Prozent beziehungsweise absolut 84,8 Millionen Euro hängen und damit etwas weniger als vor einem Jahr.

Beim Gewinn gab es im Quartal indes auch einen Sondereffekt. Der Verkauf von überschüssigen Edelmetallbeständen, die für den Bau einer Wanne zur Glasherstellung vorgesehen waren, wirkte sich den Angaben zufolge mit einem niedrigen einstelligen Millionenbetrag positiv aus. Der Gewinn unter dem Strich sank dennoch: Auf die Anteilseigner des MDax-Konzerns entfiel ein Überschuss von 28,1 Millionen Euro und damit knapp drei Prozent weniger als vor einem Jahr.

Siemssen sieht sich aber auf Kurs zu den Jahreszielen. Demnach strebt Gerresheimer weiterhin ein währungsbereinigtes Wachstum der Erlöse im Kerngeschäft im mittleren einstelligen Prozentbereich an. Bereinigt um Sondereffekte sollen davon vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) 22 bis 23 Prozent hängen bleiben.

Experte Scott Bardo von der Privatbank Berenberg wies in einer Studie allerdings darauf hin, dass laut Äußerungen des Managements in einer Telefonkonferenz mit Analysten wegen Kostendrucks eher das untere Ende der Zielspanne wahrscheinlich sei. Zudem sei der finanzielle Mittelfluss schwach gewesen. Die Kennziffer liege deutlich unter der des Vorjahreszeitraum. Insgesamt attestierte er Gerresheimer ein "eher durchwachsenes" zweites Quartal mit gutem Wachstum, das in die richtige Richtung weise.

Manager Siemssen führte in einer Telefonkonferenz mit Journalisten aus, dass die weitere Entwicklung der Marge maßgeblich von der Inflationsdynamik geprägt sein werde. Höhere Kosten sollen nach Möglichkeit an die Kunden weitergereicht werden.

Mit Blick auf die mittelfristige Entwicklung bleibt der Manager denn auch zuversichtlich. Wie schon länger bekannt soll mittelfristig im Kerngeschäft ein Umsatzwachstum vor Wechselkurseffekten im hohen einstelligen Prozentbereich und eine bereinigte Ebitda-Marge von rund 23 Prozent erreicht werden.

Die Wachstumsambitionen fußen auch auf dem Geschäft mit Spritzen. Aktuell sei hier ein zweistelliger Zuwachs zu beobachten und auch in Zukunft sei dies eine erwartbare Wachstumsgröße, führte der Konzernchef in der Telefonkonferenz aus. Gerade in Entwicklungsländern erhielten immer mehr Menschen Zugang zu Medikamenten, was großes Potenzial eröffne.

Hinzu kommen sogenannte High Value Solutions, zu denen beispielsweise vorbefüllte Spritzen, aber auch Lösungen für Biotech-Medikamente gehören. So bietet das Unternehmen Ampullen und Fläschchen aus Spezialglas an, dass höhere Anforderungen neuartiger Medikamente erfüllt oder auch bruchsicherer ist und somit einen schnelleren Abfüllprozess erlaubt.

Neben der allgemeinen Nachfrageentwicklung blicken Anleger auch auf das Geschäft mit Impfstoff-Fläschchen für Corona-Vakzine. Laut Siemssen wurden bislang über 300 Millionen davon ausgeliefert. Die bisherige Annahme von einer Milliarde bis Ende 2022 dürfte nun sogar übertroffen werden - bis zu 20 Prozent mehr stellte Siemssen in Aussicht. Zudem gebe es schon jetzt Auftragseingänge für 2023. Grundsätzlich sind die Gewinne im Zuge der Corona-Impfstoffampullen allerdings überschaubar, liegt der Preis für ein Fläschchen doch im mittleren einstelligen Eurocent-Bereich.

Sollten indes Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus notwendig werden, wie zuletzt von den Pharmaunternehmen Biontech und Pfizer ins Spiel gebracht, könnte das Geschäft ein beständiger Umsatzbringer werden. Zudem würden künftige Impfungen wahrscheinlich eher mit Einzeldosen durchgeführt werden, für die dann wohl zunehmend - und für das Unternehmen wesentlich lukrativere - vorbefüllte Spritzen verwendet würden, wie Analyst Sven Kürten von der DZ Bank jüngst in einer Studie erklärte.

Und selbst wenn das Corona-Geschäft abflauen sollte: Siemssen machte deutlich, dass die aufgebauten Kapazitäten künftig auch für die Herstellung anderer Produkte genutzt werden./lew/mis/men