Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)--General Motors (GM) präsentiert sich heutzutage als ein auf Wachstum ausgerichtetes Technologieunternehmen. Doch das fordert seinen Tribut. Zuletzt meldete GM für das dritte Quartal einen Rückgang des bereinigten Gewinns vor Zinsen und Steuern (EBIT) um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Mit Ausnahme des vom Stillstand betroffenen Frühjahrsquartals im vergangenen Jahr waren diese Gewinne die niedrigsten seit mehr als einem Jahrzehnt. Es ist nicht zu leugnen: Der Chipmangel hat schließlich auch den Detroiter Autohersteller eingeholt.

Diese schlechte Entwicklung war jedoch kaum eine Überraschung. Die mit der Halbleiterproduktion zusammenhängenden Probleme der Branche sind allgemein bekannt. Und die besonderen Probleme von GM zeigten sich Anfang dieses Monats extrem deutlich. Die Verkaufszahlen legten für das dritte Quartal nämlich deutlich offen, dass der langjährige US-Marktführer zum ersten Mal einen deutlich geringeren Anteil auf seinem Heimatmarkt hatte als Toyota.


   GM-Aktie bricht als Reaktion auf Quartalszahlen ein 

Das bereinigte EBIT von GM war mit 2,9 Milliarden US-Dollar für das Quartal sogar besser als erwartet. Diese Zahl flankierten zudem der positive Ausgang der Gespräche mit dem Batteriepartner LG Chem über die Verantwortung für den Rückruf des Elektrofahrzeugs Bolt sowie ein starkes Ergebnis im Bereich der Autofinanzierung. GM Financial meldete ein operatives Ergebnis von über 1 Milliarde Dollar, was mehr war als das Kerngeschäft Automobil. Warum also ist die GM-Aktie als Reaktion um etwa 5 Prozent eingebrochen? Die Antwort liegt wahrscheinlich in dem äußerst ehrgeizigen Plan des Unternehmens begründet, Tesla mit einer Phalanx neuer Elektroautos die Stirn zu bieten, was einen Kostenanstieg nach sich zieht.

Den deutlichsten Hinweis liefert GM in seiner Prognose für den Jahresgewinn. Das Unternehmen sagt, es werde sich "dem oberen Ende" seiner zuvor angekündigten Spanne nähern. Aber die ersten drei Quartale haben den Autobauer bereits an das untere Ende dieser Spanne gebracht, so dass der Konzern seinen Anlegern im Wesentlichen mitteilte, dass er im letzten Quartal etwa 2 Milliarden Dollar verdienen wird. Das sind weniger als im vergangenen Quartal sowie von den Analysten prognostiziert und das trotz steigender Produktion, da die Chipknappheit nachlässt.


   GM-Anleger müssen Abstriche bei der Rentabilität hinnehmen 

Die Inflation der Rohstoffpreise ist ein Grund für die steigenden Kosten von GM. Ein weiterer Grund sind Investitionen in das E-Auto-Portfolio und die damit verbundenen Software-Geschäfte, die das Unternehmen Anfang des Monats auf einem großen Kapitalmarkttag in Detroit vorstellte. Auf der Konferenz versprach GM, die Einnahmen zu verdoppeln und die Gewinnspannen bis 2030 zu erhöhen. In der Telefonkonferenz mit Analysten anlässlich der Quartalszahlen schreckte Finanzchef Paul Jacobson nicht vor den Auswirkungen zurück: "Wir werden in den nächsten Jahren eine beträchtliche Anzahl neuer Produkte auf den Markt bringen, und wir werden sicherstellen, dass wir in diese Entwicklung investieren", betonte er.

Auch wenn es offensichtlich scheint, dass eine Wachstumsstrategie zumindest kurzfristig Abstriche bei der Rentabilität mit sich bringt, ist dies nicht der Ansatz, an den GM-Anleger gewöhnt sind. Noch Ende 2018, als der Autohersteller eine Welle von Stellenstreichungen und Werksschließungen ankündigte, konzentrierte sich das von der Insolvenz gebeutelte Unternehmen darauf, seine Break-even-Kosten zu senken. Er wollte nie wieder bei der Regierung um Hilfe betteln müssen. Seit dem kometenhaften Aufstieg von Tesla an der Börse hat die GM-Chefin Mary Barra derweil ihren Kurs geändert. Die Anleger haben auf die Wachstumsversprechen positiv reagiert. Jetzt müssen sie sich auch an die Kosten gewöhnen.

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October 28, 2021 03:25 ET (07:25 GMT)