Von Stephen Wilmot

DETROIT (Dow Jones)--Die Inflation bei den Fahrzeugpreisen war in letzter Zeit für die Automobilhersteller ausgesprochen nützlich. Jetzt schauen die Anleger auf die Kehrseite der Medaille.

General Motors (GM) meldete am Mittwoch enttäuschende Ergebnisse für das zweite Quartal. Der bereinigte Betriebsgewinn für das erste Halbjahr belief sich auf 8,5 Milliarden US-Dollar. Das ist zwar ein Rekordwert für die Zeit nach der Insolvenz im Jahr 2009. Dennoch liegt dieses Ergebnis am unteren Ende der Spanne, die das Unternehmen noch Mitte Juni genannt hatte. GM hob seine Gewinnprognose für das Gesamtjahr an, blieb dabei aber unter den aktuellen Prognosen der meisten Analysten. Entsprechend fiel die Aktie als Reaktion um etwa acht Prozent.

Die Quartalszahl, die wohl am meisten enttäuschte, war die bereinigte operative Marge von 10,4 Prozent in der wichtigen Region Nordamerika. Im ersten Quartal hatte sie noch bei 12,1 Prozent gelegen. Wegen des Mangels an Halbleitern gelangten nur wenige Fahrzeuge zu den Händlern. Das Ergebnis waren höhere Preise, von denen GM bei den Einnahmen profitierte. Gestiegene Kosten fraßen diesen Vorteil jedoch wieder auf.


   Rohstoffpreise als Kostentreiber 

Hohe Belastungen entstanden durch Rückrufaktionen. Allein beim Elektrofahrzeug Chevrolet Bolt schlug das mit 800 Millionen US-Dollar zu Buche. Das Unternehmen reagierte auf einen Batteriefehler der Modelle aus den Jahren 2017 bis 2019, der Brände verursachen kann. Die unerwarteten Kosten verdeutlichen die versteckten Risiken, die eine sich schnell entwickelnde EV-Technologie der Branche auflastet.

Ein weiterer Kostentreiber war die Inflation bei den Rohstoffpreisen, insbesondere bei Stahl und Platinoiden. Im Gegensatz zum Rückruf, der eher als außergewöhnliches Ereignis betrachtet werden kann, bläst von dort ein anhaltender Gegenwind. GM-Finanzvorstand Paul Jacobson erklärte gegenüber Analysten, dass die Rohstoffkosten in der zweiten Jahreshälfte um 1,5 bis zwei Milliarden US-Dollar höher ausfallen werden als in der ersten.

GM ist beileibe nicht der einzige Autobauer, der mit einem solchen Kostendruck konfrontiert ist. "Was ich jetzt sehe, ist eine erhebliche Inflation. Ich höre meine Wirtschaftsexperten, die sagen, dass es keine strukturelle Inflation gibt, aber ich sehe das anders", sagte Carlos Tavares, CEO von Stellantis, nachdem das Unternehmen am Dienstag seine Ergebnisse vorgelegt hatte.


   GM fehlt klare Strategie 

Der Unterschied zu GM besteht darin, dass Stellantis und Ford augenscheinlich mehr Möglichkeiten haben, höhere Kosten zu kompensieren. Ford befindet sich nach wie vor in einer Turnaround-Phase, die durch eine Reihe vielversprechender neuer oder angekündigter Fahrzeuge unterstützt wird. Stellantis - das Produkt der Fusion von Fiat Chrysler mit Peugeot - sollte in der Lage sein, die Kostenabweichung durch Fusionssynergien, insbesondere in Europa, auszugleichen.

Anders als früher vermisst man bei GM ein klares strategisches Bekenntnis. Ford und Stellantis hingegen bekennen sich ohne Wenn und Aber zur Elektromobilität und zeigen sich fest entschlossen, sich im Zeitalter der disruptiven Veränderungen neu zu erfinden.

In den vergangenen Jahren schien GM seinen Konkurrenten aus Detroit oftmals voraus zu sein. Der Lohn war ein Bewertungsaufschlag. Doch nun schmilzt der Abstand. Für Anleger könnte es an der Zeit sein, die Marke zu wechseln.

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August 05, 2021 05:28 ET (09:28 GMT)