Von Spencer Jakab

BOSTON (Dow Jones)--Ist Larry Culp womöglich ein Börsengenie? Der CEO von General Electric war der erste, der von außen an die Spitze des Unternehmens rückte. Da hatte er bereits einen hervorragenden Ruf als Manager in der Vorstandsetage. Während seiner 15-jährigen Tätigkeit bei Danaher stieg der Aktienkurs des Mischkonzerns etwa viermal so stark wie der S&P 500 Aktienindex. Unter seiner bislang drei Jahre dauernden Führung hinkte der Aktienkurs von GE hingegen hinterher. Dennoch gelang es ihm, das Unternehmen durch die Veräußerung von Vermögenswerten in einem schwierigen Markt auf eine weitaus solidere finanzielle Grundlage zu stellen.

Culps Plan, GE in drei Unternehmen aufzuspalten, wird eine andere Art von Test sein. Die Anleger begrüßten zunächst den am Dienstagmorgen angekündigten Schritt, die Bereiche Gesundheitswesen und Energie auszugliedern und das Luftfahrtgeschäft dort zu belassen, wo es bislang schon war. Die GE-Aktie stieg im vorbörslichen Handel um bis zu zehn Prozent. Gegen Mittag ließ dann die Begeisterung ein wenig nach.


   Aufspaltung kann Werte freisetzen 

Theoretisch kann die Aufspaltung eines Konglomerats Werte freisetzen. Ausgliederungen von Unternehmen als besondere Asset-Klasse haben sich in der Vergangenheit gut entwickelt. Der Value-Investor Joel Greenblatt hat in seinem Buch "Auch Sie haben das Zeug zum Börsengenie" die Chancen für die breite Masse hervorgehoben. Mehrere Studien, die Daten aus den 1990er Jahren bis Mitte des letzten Jahrzehnts verwenden, zeigten, dass Spin-offs den Markt im Jahr nach dem Börsengang um zehn bis 15 Prozentpunkte schlagen können. Die Manager eines neu börsennotierten Unternehmens sind in der Regel fokussierter, und die Bewertungen steigen oft auf das Niveau der Wettbewerber an.

Aber es gibt einen Haken: Anleger müssen an dem ausgegliederten Unternehmen festhalten, um die Früchte zu ernten, was viele jedoch nicht tun. Der anfängliche Verkaufsdruck bei Spin-offs schafft oft Möglichkeiten für eine noch bessere Performance, sobald sich eine neue Aktionärsbasis etabliert hat. Aktivistische Investoren drängen Unternehmen nun zu Veränderungen, um kurzfristig Börsengewinne zu erzielen. Trian, der Fonds, der sich 2017 mit einem denkbar schlechten Timing an GE beteiligt hatte, zollte dem Schritt vom Dienstag Beifall.


   Corteva und Otis Worldwide enttäuschten 

Ein Index, der Ausgründungen abbildet, die sich bis vor einigen Jahren im Vergleich zum breiter gefassten Aktienmarkt sehr gut entwickelt hatten, ist seither deutlich hinter diesem zurückgeblieben. Zu den Indexbestandteilen gehören die Dow Chemical-Einheit Corteva und das Aufzugsunternehmen Otis Worldwide. Beide waren eine relative Enttäuschung. Das gilt auch für Fortive, ein Industrieunternehmen, das 2016 von Danaher abgespalten wurde. Für die schlechte Performance kommen mehrere Gründe infrage, unter anderem die Tatsache, dass durch die Zunahme passiv gemanagter Fonds Abspaltungen bestraft wurden, weil sie dann nicht mehr unmittelbar in einem großen Referenzindex enthalten sind.

Eine andere Erklärung könnte sein, dass Spin-offs zunehmend von geringerer Qualität sind oder dass einige ihre Synergievorteile verlieren, die sie noch als Teil eines größeren Unternehmens genossen. Ein Beispiel dafür wäre die gemeinsame Nutzung der Technologie, von der sowohl die Energieabteilung von GE mit ihren Gasturbinen als auch der Luftfahrtbereich mit seinen Düsentriebwerken bislang profitierte. Konglomerate haben auch den Vorteil, dass sie in Zeiten, in denen es einem Geschäftsbereich besonders schlecht geht, für Liquidität sorgen. Das war der Fall bei den finanziellen und technischen Problemen der GE-Energiesparte oder bei den überraschenden Altlasten des Unternehmens im Versicherungsbereich.

Culp verdient einen Vertrauensvorschuss. Seine Vorgänger - insbesondere Jeff Immelt, aber auch der verstorbene Jack Welch - waren dafür bekannt, schwerwiegende Probleme in dem ausgedehnten, einstmals ruhmreichen Unternehmen unter den Teppich zu kehren. Der Abschlag auf den Aktienkurs des GE-Konglomerats könnte also in Wahrheit ein Abschlag auf den Namen GE sein. In den angekündigten Ausgliederungen liegt vielleicht der Schlüssel, um ein für alle Mal damit aufzuräumen.

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November 10, 2021 04:10 ET (09:10 GMT)