Brüssel/Berlin (Reuters) - Die EU-Kommission soll innerhalb weniger Tage einen konkreten Plan ausarbeiten, um die sprunghaften gestiegenen Energiepreise in den Griff zu bekommen.

"Wir müssen die Preise runterbringen", sagte Vize-Kanzler Robert Habeck am Freitag in Brüssel nach einem Sondertreffen der europäischen Energieminister. Dafür müssten die Regeln auf dem Strommarkt geändert werden. "Der Ball liegt jetzt bei der Europäischen Kommission." Sie solle bis Mitte des Monats umsetzbare Vorschläge ausarbeiten. Keine Mehrheit gab es für die Pläne, einen Preisdeckel auf russisches Gas einzuführen.

"Es wird zu einem gemeinsamen europäischen Vorgehen kommen", gab sich Grünen-Politiker Habeck nach fünfstündigen Beratungen optimistisch. Keine Einigung zu erzielen, sei keine Option. Der bevorzugte Weg sei es, die Regeln auf dem Strommarkt zu ändern, also die Koppelung von Strom- und Gaspreisen aufzubrechen. Zufallsgewinne von Konzernen abzuschöpfen, die in der Krise jetzt profitierten, sei eine zweite Option.

Günstigere Energien, etwa die Erneuerbaren, müssten beim Verbraucher ankommen, so Habeck. Außerdem sollte Gas nicht mehr zu jedem Preis beschafft werden. Die Lage sei aber nicht so schlecht. Deutschland bekomme bereits kein Gas mehr aus Russland, trotzdem füllten sich die Speicher weiter.

Die Ampel-Koalition hatte am Wochenende eine Strompreisbremse angekündigt und dafür eine europäische Einigung bevorzugt. Wenn dies nicht rasch gelingt, soll eine nationale Lösung greifen, deren Details aber noch unklar sind. "Falls es zu lange dauert, machen wir eine Abschöpfungsabgabe, nehmen also die Gewinne bei den hohen Preisen und geben sie an die Verbraucherinnen und Verbraucher zurück", sagte Habeck. Ziel sei es, die Gewinne für das laufende Wirtschaftsjahr noch zu erwischen.

Der Börsenpreis für Strom wird im Kern durch Gas-Kraftwerke bestimmt, weil sie vergleichsweise schnell hochgefahren werden können, um die in der Spitze schwankende Nachfrage schnell auszugleichen. Das als letztes hinzugeschaltete Kraftwerk bestimmt dann den Preis für den gesamten Strommarkt. Gas-Kraftwerke produzieren derzeit aber besonders teuer. Sie ziehen damit den Strompreis hoch.

"Eingriffe in den Energiemarkt sind hochriskant und sollten nur unter genauer Prüfung der teilweise gravierenden Neben- und Langzeitwirkungen erfolgen", betonte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Wichtig seien vor allem Entlastungen von Verbrauchern.

KEINE MEHRHEIT FÜR PREISDECKEL AUF GAS

"Wir sind in einem Energiekrieg mit Russland", sagte der tschechische Industrieminister Jozef Sikela. Tschechien hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Es müsse alles getan werden, um Haushalten und Betrieben zu helfen. Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine Ende Februar, wegen dessen der Westen umfangreiche Sanktionen gegen Moskau verhängt hat, kam in etwa ein Drittel der Gasmengen aus Russland. Einige osteuropäische Staaten sind aber fast komplett von Russland abhängig und deswegen nun zurückhaltender.

Ein Beispiel dafür ist Ungarn. Ein Preisdeckel auf russisches Gas sei gegen europäische und ungarische Interessen, sagte der Außenminister des Landes, Peter Szijjarto. Dies würde zu einem sofortigen Stopp russischer Energielieferungen führen. Russland hat den Gasfluss in die meisten europäischen Länder bereits eingestellt - mit Verweis auf die Sanktionen und technische Probleme. Der russische Konzern Gazprom hatte seine Lieferungen Richtung Ungarn im August aber begonnen auszuweiten.

Zwei Diplomaten zufolge ist die Idee des Preisdeckels beim Treffen der Energieminister nicht auf breite Unterstützung gestoßen. Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums sagte, der Westen verstehe nicht, wie sich ein solcher Preisdeckel am Ende auf ihre eigenen Länder auswirke. Die Pläne würden scheitern oder für Verwerfungen sorgen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte in Prag, er werbe in Europa für einen Preisdeckel auf russisches Öl, den die sieben führenden Industrienationen (G7) vorgeschlagenen haben.

(Bericht von Kate Abnett, Holger Hansen und Christian Krämer, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)