(neu: Schlusskurse, mehr Hintergrund im vierten Absatz, AMC im zehnten Absatz)

NEW YORK (dpa-AFX) - Die rasante Kursrally des in Schieflage befindlichen Computerspiel-Händlers Gamestop ist am Mittwoch in eine neue Runde gegangen. Dank des weiterhin massiven Interesses von Spekulanten an den Papieren waren die Aktien zeitweilig mit einem Plus von knapp 157 Prozent auf ein Rekordhoch von 380 US-Dollar gesprungen. Zum Handelsschluss stand noch ein Aufschlag von fast 135 Prozent zu Buche.

Aus Sorge vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren die Aktien von Gamestop noch 2020 bei einem Rekordtief von 2,57 Dollar zu haben gewesen. Doch seit Mitte Januar kennen die Papiere im Prinzip nur noch eine Richtung - nach oben.

Gamestop gehört zu den Aktien, die jüngst stark auf der Online-Plattform Reddit diskutiert wurden. Dort sprechen sich einige Nutzer zum Aktienkauf ab, um zum Beispiel solche professionellen Investoren aus dem Markt zu drängen, die auf fallende Kurse spekuliert haben. Sie sollen zu Deckungskäufen gezwungen werden, um einen "Short Squeeze" auszulösen.

Auch niedrige Handelsgebühren und die breite Verfügbarkeit spekulativer Finanzinstrumente spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle: Dank eines nicht zuletzt von der Wertpapierhandels-App Robinhood ausgelösten Preiskriegs zwischen Online-Brokern, der die Gebühren massiv hat sinken lassen, hat sich der Aktienhandel in den USA gerade bei vielen Jüngeren während der Corona-Krise zu einer Art Volkssport entwickelt. Hinzu kommt, dass auch riskantere Transaktionen etwa mit Optionen, bei denen beispielsweise nur Bruchteile des Werts eines Anteilscheins gehandelt werden, inzwischen viel stärker der breiten Bevölkerung und nicht mehr nur Finanzprofis zugänglich sind.

Laut Aussagen des Managers Gabe Plotkin gegenüber dem Fernsehsender CNBC hat sein Hedgefonds Melvin Capital die Short-Position in Gamestop nach heftigen Verlusten inzwischen komplett geschlossen. Spekulationen über heftige Finanzprobleme wies Plotkin indes zurück. Sie waren aufgekommen, nachdem bekannt wurde, dass andere Hedgefonds Melvin Capital mit annähernd drei Milliarden Dollar ausgeholfen hatten.

Aktuell scheinen nun die Gegner der auf fallende Kurse setzenden Hedgefonds weiter am längeren Hebel zu sitzen. Dass sich Privatanleger zusammentun, um gemeinsam an der Börse Erfolge zu erzielen, ist zwar kein neues Phänomen. Bereits seit Jahren gibt es Social-Trading-Plattformen, auf denen sich Nutzer austauschen, um gemeinsam Kaufideen zu entwickeln. Mit der zuletzt rasant gestiegenen Bedeutung der sozialen Netzwerke aber haben sich den Anlegern viele neue Möglichkeiten zur Kommunikation untereinander eröffnet; zudem schlagen sich ihre Kaufentscheidungen offensichtlich auch immer stärker in den Kursen wieder.

Im Fall von Gamestop soll zuletzt auch der auf dem Kurznachrichtendienst Twitter sehr präsente Tesla-Chef Elon Musk mit einem Tweet zu Gamestop und einem Link zu den Reddit-Nutzern die jüngste Rally angefacht haben. Musks Tweets zu Tesla erreichen eine große Fangemeinde und haben schon öfters den Aktienkurs des Elektroautobauers massiv bewegt.

Analysten warnen derweil allenthalben, dass der massive Kursanstieg nichts mit der Realität zu tun habe. Zu den Skeptikern zählt auch Michael Burry, der Gründer des Hedgefonds Scion Capital, der durch den Film "The Big Short" berühmt wurde. Burry ist selbst in Gamestop investiert und soll laut dem Online-Wirtschaftsmagazin "Business Insider" auch kräftig an dem raketenhaften Kursanstieg verdient haben.

Nun sagte Burry: "Die manische Rallye ist außer Kontrolle geraten." Der Kursanstieg sei "unnatürlich, verrückt und gefährlich".

Eindeckungskäufe von Short-Sellern trieben Börsianern zufolge auch die Aktien der kürzlich noch als Pleitekandidatin gehandelten weltgrößten Kinokette AMC in astronomische Höhen. Zeitweise waren die Papiere um 310 Prozent angesprungen, am Ende stand noch ein Plus von 301 Prozent zu Buche.

Börsenexperte Jens Rabe sagte, der Höhenflug der Gamestop-Aktien schade dem Ansehen der Börse, da der Vorgang als "Zockerei" wahrgenommen werde. Zudem müsse er regulatorische Konsequenzen nach sich ziehen. "Mit krimineller Energie könnten Menschen auf die Idee kommen, immer wieder absichtlich solche Vorgänge zu provozieren - es gibt genug kleine Aktien, die als Spielball missbraucht werden können und genug soziale Netzwerke, um solche Aktionen zu koordinieren". Der Fall Gamestop werde von solchen Menschen künftig als Referenz genannt werden, sie würden Anlegern vermitteln, wie leicht es sei, schnell an der Börse Geld zu verdienen./la/jsl/he/DP/hbr/la/he