BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Der Krankenhaus- und Medizinkonzern Fresenius hat viel vor: Die Ergebnisse sollen durch Einsparungen und einen Umbau wieder steigen; sogar Spekulationen um eine Aufspaltung stehen im Raum. Dazu belastet die Corona-Pandemie derzeit nicht nur das Dialysegeschäft der Gruppe. Dennoch hellen sich die Perspektiven langsam auf. Zur Lage des Unternehmens, was die Analysten sagen und was die Aktie macht.

LAGE DES UNTERNEHMENS:

Die Corona-Pandemie hat Fresenius im Griff, alle vier Sparten des Konzerns haben mit den Auswirkungen zu kämpfen. Zwar dürfte sich im vergangenen Quartal das Geschäft der Klinikgesellschaft Helios weiter erholt haben, doch noch immer hält viele Menschen vor allem in Deutschland die Angst vor einer Corona-Infektion von einem Krankenhausaufenthalt ab. Nicht dringend notwendige medizinische Behandlungen werden stattdessen lieber auf die lange Bank geschoben.

Während die Dienstleistungstochter Vamed auch zum Jahresstart in den roten Zahlen feststeckte, kämpfte der konzerneigene Generikahersteller Kabi zuletzt mit Produktionsproblemen in einem US-Werk und Marktanteilsverlusten.

Auslöser für eine Schockwelle an der Börse war indes im Frühjahr die Tochter Fresenius Medical Care (FMC). Nach kräftigen Zuwächsen im vergangenen Jahr ist der Ausblick des Dialysespezialisten für 2021 extrem trübe. Das Problem: Im vergangenen Jahr gab es noch Corona-Hilfen von der US-Regierung, zudem sterben viele Dialysepatienten mit oder an Corona und die Vertriebs- und Verwaltungskosten steigen.

Der Teilkonzern FMC und der lange erfolgsverwöhnte Mutterkonzern Fresenius wollen den Problemen nun mit einem umfangreichen Sparprogramm begegnen. Doch wo konkret der Rotstift angesetzt werden soll, ist noch nicht unter Dach und Fach. Die interne Überprüfung der einzelnen Bereiche läuft, mit einigen Ergebnissen ist zu der an diesem Freitag (30. Juli) anstehenden Quartalsbilanz zu rechnen. Für FMC könnte sich die Überprüfung indes noch eine Weile hinziehen, heißt es. Ob die Hoffnungen einiger Marktteilnehmer auf eine zumindest leichte Prognoseanhebung berechtigt sind, dürfte sich zeigen.

Dabei hat Fresenius noch immer ein gewisses Vertrauensproblem an der Börse. Der geplatzte Kauf der US-Generikaherstellers Akorn im Frühjahr 2018 und die diversen Schwierigkeiten bei den einzelnen Konzerntöchtern haben die Zuversicht der Investoren untergraben, was sich am schwachen Börsenkurs ablesen lässt.

Aber auch intern wächst offenbar der Druck. Zwar hat Konzernchef Stephan Sturm Spekulationen über eine direkt bevorstehende Aufspaltung in den vergangenen Monaten klar und eindeutig eine Absage erteilt - und auch die Großaktionärin Else Kröner-Fresenius-Stiftung hat sich öffentlich gegen vorschnelle Schritte positioniert - dennoch scheint diese Option zumindest auf mittlere oder längere Sicht nicht vom Tisch. Über die künftige organisatorische Aufstellung des Konzerns dürfte daher maßgeblich auch entscheiden, ob das Sparprogramm von Erfolg gekrönt sein wird und die Ergebnisse sich wieder erholen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Von den 14 bei dpa-AFX seit der letzten Quartalsbilanz im Mai gelisteten Experten haben neun die Fresenius-Aktie als Kauf auf dem Zettel, vier sind neutral, und nur einer rät zum Verkauf. Einige Experten halten das Papier noch immer für unterbewertet und hoben zuletzt ihre Kursziele an, andere sehen den fairen Wert für die Aktie deutlich darunter. Im Schnitt liegt das Kursziel der Experten damit bei 47,30 Euro, also nur noch knapp 5 Prozent über dem aktuellen Kurs von rund 44 Euro.

Einer, der sich weiterhin für einen Kauf der Aktien ausspricht, ist David Adlington von JPMorgan. Er argumentiert, dass die Bewertung der Aktie das Wachstumsprofil der Konzerngewinne sowie deren defensive Natur nicht angemessen widerspiegele. Mit 53 Euro ruft der Experte der US-Bank derzeit eines der höchsten Kursziele auf.

Mit Blick auf den anstehenden Bericht zum zweiten Quartal überarbeitete der Experte erst kürzlich seine Prognosen. Er geht davon aus, dass die Konzernumsätze dank des Klinikgeschäfts solide zugelegt haben - wobei vor allem in Spanien es wieder deutlich besser gelaufen sein dürfte. Dagegen sei FMC weiterhin eine Belastung. Dank der niedrigen Vergleichsbasis im Vorjahr sollte konzernweit aber auch der Gewinn im vergangenen Jahresviertel gestiegen sein.

Noch optimistischer sind die Experten der Berenberg Bank, die dem Papier sogar einen Anstieg bis auf knapp 56 Euro zutrauen. Die Aktie sei weiterhin stark unterbewertet und habe klares Aufwertungspotenzial, sollte es die Probleme bei der Generikatochter Kabi und FMC in den kommenden sechs bis zwölf Monaten nicht mehr geben, glaubt Analyst Tom Jones. Für das vergangene Quartal rechnet der Experte trotz der Belastungen durch FMC mit einer zunehmenden Normalisierung der Geschäfte.

Jefferies-Experte James Vane-Tempest hingegen blickt bereits lange pessimistisch auf die Fresenius-Aktie und rät daher zum Verkauf. Auch er überarbeitete erst kürzlich mit Blick auf die Zahlen seine Schätzungen und hob zwar das Kursziel, sieht mit 39 Euro aber immer noch klares Abwärtspotenzial. Das Chance-Risiko-Profil der Aktie sieht er gegenwärtig nach unten gerichtet, die Investoren erschienen bereits recht optimistisch hinsichtlich der Erreichbarkeit der Erholung im laufenden Jahr sowie der Mittelfristziele.

DAS MACHT DIE AKTIE

Die Aufspaltungsfantasien gaben der Fresenius-Aktie im Mai einen deutlichen Schub Richtung Norden. Auch die jüngsten Spekulationen über den möglichen Kauf des Creat-Blutplasmageschäfts waren zuträglich. Dennoch notiert die Aktie aktuell mit gut 45 Euro in etwa auf dem Niveau von Mitte des vergangenen Jahres - das viele Anleger allerdings keineswegs zu den Erfolgsjahren zählen dürften. Denn mit einem Minus von rund einem Viertel gehörte das Papier 2020 zu den schlechtesten Dax-Mitgliedern.

Die Abstiegsgeschichte der Aktie begann allerdings bereits weit davor mit der geplatzten Akorn-Übernahme im Jahr 2018, der im Herbst/Winter desselben Jahres zwei Gewinnwarnungen binnen wenigen Wochen folgten. Seit dem 2017 erreichten Hoch bei 80 Euro hat das Papier fast die Hälfte an Wert eingebüßt. Zum Corona-Crash im Frühjahr vergangenen Jahres war es sogar noch schlimmer gekommen, die Aktie rauschte im Tief bis auf gut 24 Euro ab. Wer damals mutig war und einstieg, hat seinen Einsatz bis dato fast verdoppelt.

Und auch bei bei FMC ist die Tendenz schon länger negativ. So sank der Kurs der FMC-Aktie seit dem Hoch bei knapp 94 Euro im Februar 2018 um fast 30 Prozent.

Derzeit ist FMC an der Börse etwa 20 Milliarden Euro wert. Die Mutter Fresenius bringt es auf eine Marktkapitalisierung von rund 25 Milliarden Euro, damit rangieren beide im Dax auf den hinteren Rängen, wo sich inzwischen aber auch Werte wie RWE und Deutsche Bank tummeln./tav/nas/mis/he