(neu: Aussagen aus Online-Pressekonferenz zur Zukunft der Russland-Beteiligung und russischen Fluggästen in Antalya, Verschuldung, Streikfolgen, aktualisierte Aktienreaktion, Analystenstimme)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport rechnet trotz Pandemie und Ukraine-Krieg in diesem Jahr mit einem deutlichen Aufschwung des Luftverkehrs. Am Hauptstandort Frankfurt dürfte die Zahl der Passagiere trotz eines schwachen Jahresauftakts von zuletzt knapp 25 Millionen auf 39 bis 46 Millionen Menschen steigen, teilte das Unternehmen bei der Vorlage seiner Jahresbilanz am Dienstag in Frankfurt mit. "Die Menschen wollen wieder verreisen", sagte Vorstandschef Stefan Schulte. An der Börse wurden die Nachrichten allerdings mit einem Kursrutsch quittiert.

Für die Fraport-Aktie ging es am Vormittag zeitweise um elf Prozent nach unten. Am frühen Nachmittag war das Papier mit einem Abschlag von rund sieben Prozent auf 49,86 Euro zweitschwächster Titel im MDax, dem Index der mittelgroßen Werte. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar hat die Aktie damit mehr als ein Fünftel eingebüßt.

Das für 2022 in Frankfurt erwartete Passagieraufkommen entspricht 55 bis 65 Prozent des Niveaus aus dem Vor-Corona-Jahr 2019. Der Umsatz soll dem Management zufolge von gut 2,1 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf rund 3 Milliarden Euro zulegen und zu einem Konzerngewinn in Höhe 50 bis 150 Millionen Euro führen. Beim operativen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) geht der Vorstand von einem Anstieg auf 760 bis 880 Millionen Euro aus.

Branchenexperten hätten beim operativen Gewinn jedoch mit einem Zuwachs auf eine Milliarde Euro gerechnet, schrieb Analystin Elodie Rall von der US-Bank JPMorgan. Allerdings stammten die Analystenprognosen aus der Zeit vor dem Angriff auf die Ukraine. Die Fraport-Führung versuchte hingegen nach eigenen Angaben, in ihren Prognosen auch die derzeitige geopolitische Lage zu berücksichtigen - jedenfalls insoweit, "wie man es derzeit bei aller Unsicherheit greifen kann".

Der Ukraine-Krieg und die deshalb gegen Russland verhängten Sanktionen könnten Fraport das Geschäft in diesem Jahr gleich an mehreren Standorten verhageln. So lässt der Konzern sein Geschäft am Pulkovo-Airport im russischen St. Petersburg ruhen und erbringt dort keine Beratungsleistungen mehr. Zudem muss er um seine Beteiligung von 25 Prozent bangen, die man aus rechtlichen Gründen nicht verkaufen könne. Gegen eine Enteignung würde man sich wehren, kündigte Fraport-Chef Schulte an: "Es wäre doch pervers, dem Aggressor Russland jetzt einen Vermögenswert im niedrigen dreistelligen Millionenwert zu schenken."

Ebenfalls schwierig sieht es an Fraports Flughäfen im türkischen Antalya sowie in Varna und Burgas in Bulgarien aus: Weil dort normalerweise besonders viele russische Passagiere an- und abreisen, wagte der Vorstand für diese Standorte keine Vorhersage. Schon jetzt sitzen russische Reisende an ihren Urlaubsorten fest, weil ihre Rückflüge gestrichen wurden. Zudem können sie mit ihren Kreditkarten außerhalb Russlands nicht mehr bezahlen. Laut Fraport kamen bisher rund 30 Prozent der Passagiere in Antalya aus Russland. Würden sie alle wegbleiben, würde das den Konzern laut Schulte rund 50 Millionen Euro beim Ergebnis kosten.

Im abgelaufenen Jahr 2021 brachten mehr Passagiere im Sommer, die starken Auslandsflughäfen sowie staatliche Ausgleichszahlungen die Fraport AG zurück in die Gewinnzone. Unter dem Strich verbuchte das Unternehmen einen Gewinn von knapp 83 Millionen Euro nach einem coronabedingten Verlust von fast 658 Millionen Euro im ersten Pandemie-Jahr 2020. Fraport erhielt im vergangenen Jahr von mehreren Staaten seiner Flughafenstandorte Ausgleichszahlungen. Die Hälfte der 320 Millionen Euro stammte aus Deutschland. Auf eine Dividende sollen die Aktionäre aber auch in diesem und im kommenden Jahr verzichten, schlägt der Vorstand vor.

Das Unternehmen habe in der Krise hart an den Kostenstrukturen gearbeitet und stehe heute schlanker und effizienter da. Bereits zur Jahresmitte 2021 waren demnach 4300 Stellen vor allem in der Verwaltung sozialverträglich abgebaut. Im operativen Bereich sucht das Unternehmen wegen des erwarteten Urlauber-Ansturms im Frühjahr und Sommer bereits wieder rund 1000 neue Kräfte. An einzelnen Tagen im Sommerflugplan könnten Verkehrsspitzen wie in der Vor-Corona-Zeit erreicht werden, erklärte Schulte. Das sei für Fraport wie auch für die Airlines und die verschiedenen Dienstleister eine große operative Herausforderung.

Schulte kritisierte den aktuellen Verdi-Warnstreik bei den privaten Sicherheitsdienstleistern, der am Dienstag zum Ausfall von 130 Flügen geführt hat. Er stelle sich schon die Frage, ob derart flächendeckende ganztägige Aktionen angemessen seien, sagte der Fraport-Chef. Allein in Frankfurt hätten heute 20 000 Menschen ihre Ziele nicht erreichen können.

Weiterhin im Plan ist der Neubau des dritten Passagier-Terminals, dessen Eröffnung auf das Jahr 2026 verschoben wurde. Erst dann erwartet Schulte wieder ein Passagieraufkommen wie vor der Pandemie. Der Flugsteig G soll als erster Teilabschnitt in diesen Wochen fertiggestellt und in einen "Ruhebetrieb" versetzt werden.

Unter anderem diese Investition mit einem Gesamtvolumen von rund 4 Milliarden Euro hat die Gesamtverschuldung des Konzerns zum Jahresende 2021 auf knapp 6,4 Milliarden Euro hochgetrieben. Im laufenden Jahr dürfte sie auch wegen weiterer Investitionen auf 7,3 bis 7,5 Milliarden Euro anschwellen, erläuterte Finanzvorstand Matthias Zieschang./stw/ceb/mis