BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung hat die Bürger zu einem verantwortungsbewussten Handeln gerade auch im Urlaub aufgerufen, um die zuletzt gestiegenen Infektionszahlen wieder zu drücken. Am Ende der Sommerzeit müsse man möglichst einen "Tiefststand an Infektionen" haben, um dann auch im Herbst und Winter gut durch die Pandemie kommen zu können, sagte Kanzleramtsminister Helge Braun am Montag in Berlin - ein halbes Jahr nach der bestätigten ersten Infektion in Deutschland. Zugleich deutete er an, dass auf Urlaubsrückkehrer aus Risikogebieten voraussichtlich verpflichtende Corona-Tests zukommen werden. Bei den Bundesländern gebe es dafür eine große Bereitschaft.

"Von dem, was wir in den letzten Tagen erlebt haben, mit zum Teil über 800 Fällen am Tag, müssen wir wieder in eine Situation kommen, wo wir deutlich unter 500 liegen", sagte Braun. "Dann haben wir gute Ausgangsvoraussetzungen, um die Pandemie auch im Herbst zu beherrschen." Andernfalls werde das schwieriger.

Derzeit gibt es in Deutschland einen großen Infektionsherd auf einem Gemüsebauernhof im niederbayerischen Mamming mit mehr als 170 positiv getesteten Erntehelfern. Fast 500 Menschen stehen dort nun unter Quarantäne. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte am Montag deutlich schärfere Strafen für Betriebe an, die gegen Hygieneauflagen verstoßen. Sie sollen dann 25 000 Euro statt bislang 5000 Euro betragen. Auch Söder rief eindringlich zum Einhalten der Regeln im Kampf gegen die Pandemie auf. Mehr Vorsicht sei auch bei Reiserückkehrern, Familienfeiern und Partygängern geboten. Der CSU-Chef bekräftigte seine Forderung an den Bund nach Pflichttests für Urlaubsrückkehrer aus Risikogebieten.

Im Nachbarland Österreich steigt die Zahl der Corona-Infektionen in Tourismusbetrieben am Wolfgangsee. Inzwischen wurde das Virus in St. Wolfgang bei 53 Menschen nachgewiesen. Die Ergebnisse von 419 Tests vom Sonntag fehlten am Montag noch. Als Ausgangspunkt gelten Feiern junger Saisonmitarbeiter in der Gastronomie auch nach der Sperrstunde um 1 Uhr morgens.

Kanzleramtschef Braun sagte, die steigenden Infektionszahlen in Deutschland gäben "Anlass zur Sorge". Neben den Problemen in der fleischverarbeitenden Industrie oder bei Saisonarbeitern gebe es viele kleinere Corona-Ausbrüche, die im familiären Umfeld geschähen, auf Freizeitaktivitäten zurückzuführen seien oder auf Reiserückkehrer zurückgingen. Wer sich in der Freizeit oder auf Reisen nicht an die allgemeinen Kontakt- und Abstandsregeln halte, riskiere nicht nur seine eigene Gesundheit. Es gehe auch um das Verbreitungsrisiko des Virus. "Und deshalb richtet sich ein solches Verhalten gegen das Gemeinwohl."

Für die Tests von Urlaubsrückkehrern strebe die Regierung eine schnelle Lösung an, betonte Braun. "Die muss aber trotzdem solide sein." Die Gesundheitsminister würden darüber noch am Montag beraten. Braun wies darauf hin, dass es schon jetzt für Rückkehrer aus Risikoländern die Pflicht gebe, sich für zwei Wochen in Quarantäne zu begeben oder ein negatives Testergebnis vorzulegen. Dies gelte nicht nur für Flugreisende, sondern "egal auf welchem Weg man aus einem Risikogebiet nach Deutschland zurückkommt".

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die Ressortchefs der Bundesländer hatten am Freitag beschlossen, dass sich alle Reisenden aus Risikogebieten nach ihrer Rückkehr in Deutschland künftig kostenlos auf das Virus testen lassen können - aber nicht müssen. Spahn sagte am Samstag, er lasse aber prüfen, ob es rechtlich möglich sei, verpflichtende Tests einzuführen.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt lobte den Vorstoß. "Wenn es rechtlich nicht geht, dann muss man das entsprechende Recht schaffen, dass es geht", sagte er am Sonntagabend im Bild-Talk "Die richtigen Fragen". Er plädierte zudem dafür, neben Risikogebieten auch kleinräumigere "Gefahrenregionen" zu definieren, für die ebenfalls entsprechende Maßnahmen ergriffen werden sollten.

Ministerpräsident Söder sagte am Montag, der Bund müsse für Tests den rechtlichen Rahmen schaffen. Bayern bereite alles vor, um dann sofort starten zu können. Das Land richtet an drei Autobahn-Grenzübergängen zu Österreich freiwillige Teststationen ein - ebenso an den Hauptbahnhöfen in München und Nürnberg. An den Flughäfen in diesen zwei Städten können sich Reisende bereits seit dem Wochenende kostenlos testen lassen. Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt gibt es diese Möglichkeit zunächst noch nicht. Der Betreiber Fraport verwies am Montag erneut auf ungeklärte Fragen etwa zur Trägerschaft und Kostenübernahme.

Nach Einschätzung des Rechtswissenschaftlers Thorsten Kingreen von der Universität Regensburg wären Corona-Pflichttests für Rückkehrer aus Risikogebieten verfassungsrechtlich zulässig. "Ein Test ist ein Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Das Ziel des Infektionsschutzes ist aber legitim und der Eingriff zumutbar." Auch eine Weitergabe der Kosten an Betroffene, wie sie etwa FDP-Chef Christian Lindner fordert, hält Kingreen für zulässig. "Zumindest Urlaubsreisen unternimmt man ja freiwillig, und wenn der Staat die Kosten trägt, sind am Ende alle als Steuerzahler beteiligt - auch die, die sich gerade keinen Urlaub leisten können."/sk/DP/fba