FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Coronavirus-Pandemie hat die Luftfahrtbranche binnen weniger Tage in die wohl schwerste Krise ihrer Geschichte gestürzt. Beim Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport sind die sonst eher überlasteten Terminals plötzlich viel zu groß für die wenigen Passagiere. Bald dürften es noch viel weniger sein. Der Aktienkurs ist schon im Keller. Was bei Fraport los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht:

DAS IST LOS BEI FRAPORT:

Die Angst vor dem neuartigen Coronavirus trifft den Frankfurter Flughafen ins Mark. In der letzten Februarwoche zählte Fraport bereits 14,5 Prozent weniger Fluggäste als ein Jahr zuvor, in der ersten Märzwoche waren es schon 30 Prozent, vergangene Woche rund 45 Prozent. Durch die zwischenzeitlich von den USA verhängte Einreisesperre für Europäer könnte sich der Rückgang an Deutschlands größtem Flughafen auf minus 60 Prozent steigern, sagte Fraport-Chef Stefan Schulte bei der Bilanzvorlage am Freitag.

Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht einmal klar, dass Branchengrößen wie Lufthansa und Ryanair auch ihr Flugangebot innerhalb Europas noch viel stärker zusammenstreichen würden - und das womöglich über Monate hinweg. Am Montag kündigte der Billigflieger Ryanair für April und Mai Kürzungen um bis zu 80 Prozent an. Die British-Airways-Mutter IAG, zu der auch die Fluggesellschaften Iberia, Vueling, Aer Lingus und Level gehören, fasst für den gleichen Zeitraum eine Verringerung um mindestens 75 Prozent ins Auge.

Die Airlines des Lufthansa-Konzerns wollen vorerst nur noch etwa jeden zehnten geplanten Fernflug und jeden fünften Nah- und Mittelstreckenflug durchführen. Die österreichische Konzerntochter Austrian und die dortige Ryanair-Tochter Lauda stellen ihren Betrieb bis Anfang April komplett ein.

Für Fraport ist die Lufthansa in Frankfurt die wichtigste Kundin. Der Kranich-Konzern steht dort für mehr als zwei Drittel des Passagierverkehrs. Kein Wunder, dass sich Fraport-Chef Schulte für 2020 noch keine Geschäftsprognose zutraute. Angesichts neu aufkommender Reiseverbote planen die Airlines derzeit praktisch täglich um. Schon in den Wochen zuvor hatten viele viele Fluggäste ihre Tickets storniert oder verfallen lassen. Die Flugzeuge waren bereits deutlich leerer als sonst, wie ein Fraport-Sprecher berichtete.

Am Dienstagabend vereinbarten Deutschland und die anderen EU-Staaten zudem ein weitreichendes Einreiseverbot für Bürger der allermeisten Nicht-EU-Staaten. Die Regelung solle zunächst für 30 Tage gelten und die Ausbreitung des Virus begrenzen. Damit dürfte die Zahl der Fluggäste noch stärker sinken als inzwischen ohnehin erwartet.

Fraport bekommt wie andere Flughafenbetreiber von den Airlines Geld für jeden abgefertigten Passagier. Und der Konzern verdient an jedem Euro mit, den die Fluggäste in den Läden und Restaurants in den Terminals lassen. Jeder ausbleibende Passagier belaste Fraports operativen Gewinn (Ebitda) mit 10 bis 14 Euro, sagte Schulte am Freitag.

Gemessen an den gut 70 Millionen Fluggästen, die 2019 in Frankfurt abgefertigt wurden, würde ein Rückgang um 20 Prozent im Gesamtjahr zu einer Ergebnisbelastung von bis zu 200 Millionen Euro führen. Hinzu kämen noch Rückgänge an den 29 Fraport-Flughäfen im Ausland, die Schulte vorläufig auf 50 bis 100 Millionen Euro schätzte. 2019 hatte der Konzern insgesamt einen operativen Gewinn von knapp 1,2 Milliarden Euro erzielt. Die Dividenden für 2019 und 2020 will der Vorstand trotz allem mit zwei Euro je Aktie stabil halten.

Dabei ist noch völlig unklar, wie lange die Krise anhält - und wie schwer sie die Airlines und Flughafenbetreiber trifft. Auch Schulte wagte nicht einzuschätzen, wie viele Menschen letztlich doch eine Flugreise für den Sommer buchen. Er zeigte sich aber "überzeugt, dass Corona letztlich ein Einmaleffekt bleiben wird". Die Luftfahrt werde wieder auf ihren Wachstumskurs zurückkehren, die Frage sei nur, wann.

Das hängt auch davon ab, ob alle Fluggesellschaften die Krise überleben. Die Bundesregierung hat bereits Staatsbürgschaften für Unternehmen angekündigt. Der weltgrößte Reisekonzern Tui will diese Hilfe beantragen, und auch die Lufthansa lotet bei mehreren Regierungen die Chance auf staatliche Unterstützung aus.

Fraport hat angesichts der Krise ein Sparprogramm eingeleitet und will bis zu 10 000 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Neueinstellungen sind gestoppt. Arbeitsschichten im Flughafenbetrieb werden um mehrere Monate verschoben, die Belegschaft soll freiwillig unbezahlten Urlaub nehmen oder auf Teilzeit wechseln. Mit 1,22 Milliarden Euro ist der Personalaufwand der größte Kostenfaktor bei Fraport. Im vergangenen Jahr wuchs die Zahl der Beschäftigten um 2,5 Prozent auf gut 22 500 Menschen.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Eigentlich gelten Infrastruktur-Unternehmen als eher konservatives Investment. Selbst in der für starke Schwankungen bekannten Luftfahrtbranche braucht es schwerwiegende Ereignisse, um den Wachstumskurs ernsthaft zu stören. Solche Einschnitte gab es nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA und nach der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren. Doch während sich Fluggesellschaften mit Rivalen Preisschlachten bei Flugtickets liefern und hohe Kerosinpreise verdauen müssen, fließt das Geld für Flughafenbetreiber vergleichsweise stetig.

Dennoch haben die Fraport-Aktionäre in den vergangenen zehn Jahren schon einiges Auf und Ab durchlebt. In den vergangenen zehn Jahren ging es für die Aktie von rund 39 Euro bis auf rund 97 Euro Anfang 2018 nach oben. Das war kurz nach der Pleite von Air Berlin. Seitdem bewegte sich der Kurs gut zwei Jahre lang fast weitgehend abwärts - bevor er Mitte Februar in einen steilen Sinkflug überging. Zuletzt wurde die Aktie noch mit rund 30 Euro gehandelt. Damit war sie so billig wie zuletzt in der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2009.

Zudem ist der Kurs unter den Ausgabepreis von 2001 gefallen und der Börsenwert des Flughafenbetreibers liegt gerade mal noch bei knapp 2,8 Milliarden Euro. Größter Anteilseigner des Unternehmens ist das Land Hessen mit 31 Prozent, gefolgt von der Stadt Frankfurt (20 Prozent) und dem Großkunden Lufthansa (8 Prozent).

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Analysten kommen der Flut der täglichen Ereignisse bei der Berechnung ihrer Prognosen kaum hinterher. Die elf im dpa-AFX Analyser erfassten Branchenexperten, die ihre Einschätzungen zu Fraport seit dem Jahreswechsel aktualisiert haben, lieben bei ihren Empfehlungen und Kurszielen denn auch weit auseinander. Je drei Analysten raten zum Kauf und Verkauf der Aktie, fünf tendieren zum Halten. Ihr durchschnittliches Kursziel liegt bei rund 57 Euro.

Allerdings reichen selbst die frischsten Prognosen aus der Zeit seit der Bilanzvorlage von 29 bis 89 Euro. Branchenexpertin Stephanie D'Ath vom Analysehaus RBC strich ihr Kursziel für die Fraport-Aktie um mehr als die Hälfte von 65 auf 29 Euro zusammen. Sie erwartet, dass die Zahl der Passagiere an Europas Flughäfen in diesem Jahr um 30 Prozent sinkt. Bei Flughafenbetreibern wie Fraport schlage dies auf die Gewinne durch.

Auch ihr Kollege Markus Armer vom Analysehaus Independent Research sieht vorerst wenig Grund für Optimismus. Er kürzte seine Gewinnschätzungen für die Jahre 2020 und 2021 und kappte sein Kursziel von 78 auf 32 Euro. Die Analysten von Deutscher Bank und Kepler Chevreux hielten indes ihre hohen Kursziele nach Fraports Bilanzvorlage zunächst aufrecht./stw/fba/zb