Mehr als 20 Verkehrs- und Reiseverbände in Europa haben an EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen appelliert, die EU-Staaten zu einem abgestimmten Vorgehen bei den Corona-Reisebeschränkungen zu drängen.

Der EU-Vorschlag zu einheitlichen Kriterien dafür stoße bei den Mitgliedstaaten offenbar auf Skepsis, hieß es in einem Schreiben an von der Leyen, das Reuters am Freitag vorlag. "Das löst in unseren Branchen Alarm aus, denn ein Scheitern der Umsetzung des Kommissionsvorschlags würde jede Chance einer Erholung zunichtemachen", warnten die Wirtschaftsvertreter im Namen von mehr als 5000 Unternehmen mit rund 27 Millionen Beschäftigten in Europa. "Diese chaotische Situation erfordert Ihr sofortiges persönliches Eingreifen." Die Kommissionspräsidentin müsse das mit den Staats- und Regierungschefs diskutieren.

Die Corona-Pandemie hat Luftfahrt und Tourismus, aber auch den grenzüberschreitenden Bahnverkehr am härtesten getroffen. Nach einer Aufhebung der meisten Reisewarnungen innerhalb Europas im Juni raten Regierungen inzwischen mehr und mehr von Reisen in Risikogebiete mit steigenden Infektionszahlen ab, nachdem die Pandemiewelle vielerorts wieder anschwoll. Die Passagierzahlen an den Flughäfen gingen in der ersten Septemberhälfte deshalb auf 73 Prozent des Vorjahres wieder zurück, nachdem sie sich im August noch auf 65 Prozent erholt hatten.

Der Flickenteppich national unterschiedlicher Regeln muss aus Sicht der Branche beendet werden. Mit der unverhältnismäßigen Einschränkung der Reisefreiheit stehe sonst die Wirtschaftserholung von der Corona-Krise in Europa auf dem Spiel. Die Verbände fordern, auf Tests zu setzen und auf weitgehende Quarantänevorschriften zu verzichten. Auch in Deutschland versuchen die Branchenvertreter, die ab 1. Oktober geplante fünf- bis zehntägige Quarantänepflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten abzuwenden und stattdessen die Testpflicht bei Ankunft beizubehalten. "Dem Grundbedürfnis der Reisefreiheit muss auch in Corona-Zeiten Raum gegeben werden", erklärte der Flughafenverband ADV.

Die EU-Europaminister beraten über die Koordination der Grenzkontrollen bei ihrem Treffen am 22. September. Die Kommission hatte Schwellenwerte für die täglichen Meldungen von Corona-Fällen sowie die Anzahl und die Positivquote von Tests vorgeschlagen. Die Ampel soll nur auf Rot stehen, wenn im Ausreiseland innerhalb von 14 Tagen die Zahl der neu gemeldeten Corona-Fälle über 150 pro 100.000 Einwohner liegt oder bei nur 50 neuen Fällen und einer Infiziertenquote bei Tests von mehr als drei Prozent. EU-Diplomaten zufolge wandten einige Länder ein, sie hätten keine ausreichenden Kapazitäten für Tests und Nachverfolgung von Corona-Fällen, sodass sie strengere Regeln für Einreisende bräuchten.