Von Ben Foldy und Nora Eckert

NEW YORK (Dow Jones)--Das Rennen um die Elektrofahrzeuge spitzt sich zu. Sowohl Ford als auch GM haben neue Elektro-Pickups vorgestellt, und die Autokonzerne bereiten sich darauf vor, in diesem und im nächsten Jahr eine ganze Reihe neuer batteriebetriebener Modelle herauszubringen. Die Führungskräfte der Automobilindustrie haben in den vergangenen Jahren ihre Ambitionen bekräftigt und Milliarden von Dollar in neue Investitionen gesteckt, um mehr Elektroautos in ihre globalen Produktpaletten aufzunehmen. Doch bisher fand der Übergang hauptsächlich hinter den Kulissen statt, wo Ingenieure und Konstrukteure die nächste Fahrzeuggeneration vorbereiteten.

Im kommenden Jahr werden die Autokäufer diese Bemühungen in den Verkaufsräumen sehen können. Laut Analysten der Bank of America planen die Autohersteller, in den nächsten zwei Jahren Dutzende neuer Elektromodelle in verschiedenen Ausführungen und zu unterschiedlichen Preisen auf den Markt zu bringen. Mit Einführung dieser Elektroautos verlagert sich der Druck auf die Autohersteller von der Entwicklung des Produkts weg und hin zur Überzeugung der Verbraucher. "Es wird eine neue Welt entstehen", jubelt Stellantis-Chef Carlos Tavares. "Die Maschine läuft, und wir schreiten schnell voran." Zuletzt kündigte Ford an, die Produktion seines kommenden Elektro-Trucks, des F-150 Lightning, nahezu zu verdoppeln, nachdem die Zahl der Reservierungen höher als erwartet war. Der Truck wird in diesem Frühjahr in begrenzter Stückzahl in den Handel kommen. Dieser Schritt ließ die Ford-Aktie in die Höhe schnellen und den Marktwert des Unternehmens bis zum Börsenschluss am Freitag auf 97,6 Milliarden US-Dollar klettern - und damit über den von GM und Rivian hinaus. Letzteres ist ein junges Start-up, das vor kurzem einen rein elektrischen Truck auf den Markt gebracht hat und im November an die Börse ging.


   Chrysler in sechs Jahren rein elektrisch 

GM stellte jüngst seinen konkurrierenden Elektro-Truck vor, eine batteriebetriebene Version seines beliebten Chevy Silverado. Chefin Mary Barra nannte etwa zehn E-Autos, die innerhalb von zwei Jahren auf den Markt kommen werden, verglichen mit nur zwei heute. Stellantis, zu der Jeep, Ram, Opel und andere Automarken gehören, erklärte in der vergangenen Woche, dass die fast 100 Jahre alte Marke Chrysler bis 2028 ausschließlich auf Elektrofahrzeuge umsteigen werde. Der Autokonzern gab außerdem bekannt, dass er einen Vertrag über den Verkauf von elektrischen Transportern an Amazon abgeschlossen habe. Damit konkurriert er direkt mit Rivian, die ebenfalls einen Vertrag über den Verkauf von Transportern an den Online-Händler abgeschlossen hat.

Aktien von Rivian fielen zuletzt als Reaktion auf die jüngste Entwicklung um 11 Prozent und rauschten dann sogar noch zum ersten Mal seit dem Börsengang kurzzeitig unter den Preis von 78 Dollar pro Aktie ab. In der Vorwoche schloss die Aktie dann aber doch letztlich bei 86,28 Dollar. Eine Rivian-Sprecherin spielte die Amazon-Nachricht herunter. Das Stellantis-Geschäft sei eine gute Nachricht für die gesamte Branche, und Rivians eigene Amazon-Partnerschaft sei intakt, floriere und wachse.


   Kampf zwischen alten Platzhirschen und jungen Wilden 

Die Umstellung auf Elektroautos verschärft den Kampf zwischen den traditionellen Autoherstellern und neueren Akteuren, die in das mehr als 100 Jahre alte Autogeschäft einsteigen. Alteingesessene Autokonzerne wie GM, VW und Toyota verfügen über tiefere Taschen, gut etablierte Lieferketten und das Know-how im Automobilbau, um bei der Umgestaltung ihrer Produktpalette zu helfen.

Bis vor kurzem haben die Investoren jedoch weitgehend auf Tesla und andere Start-ups gesetzt, die sich ausschließlich auf die Herstellung von Elektrofahrzeugen konzentrieren. Diese Unternehmen haben in den vergangenen Jahren Finanzmittel in Milliardenhöhe erhalten und sind nicht den Kapitalzwängen ausgesetzt, die sich aus der Umstellung eines Geschäfts ergeben, das hauptsächlich auf den Benzinmotor ausgerichtet ist. Tesla, das bei Börsenschluss in der Vorwoche mehr als 1 Billion Dollar wert war, ist jetzt der wertvollste Autohersteller der Welt.


   Verbraucher hängen am Benziner 

Trotz des großen Interesses müssen die neuen und alten Autofirmen die Verbraucher noch davon überzeugen, den Benzinmotor aufzugeben. Die Verkäufe von Elektrofahrzeugen sind zwar im Aufwind und stiegen im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 88 Prozent, doch machen sie laut dem Marktforschungsunternehmen Motor Intelligence immer noch nur etwa 3,2 Prozent des gesamten US-Automarktes aus. Derweil hat Tesla einen soliden Vorsprung vor den konkurrierenden Autoherstellern. Seine weltweiten Auslieferungen schossen im vergangenen Jahr um 87 Prozent auf rund 986.000 Autos nach oben. Allein in den USA verkaufte Tesla im Jahr 2021 rund 352.500 Fahrzeuge, was etwa 72 Prozent aller gekauften batterieelektrischen Fahrzeuge entspricht, schätzt Motor Intelligence. Tesla schlüsselt die Auslieferungen nicht nach Regionen auf.

Im Gegensatz dazu verkaufte Ford im Jahr 2021 etwa 27.000 Elektrofahrzeuge und GM rund 25.000 Stück. Für beide Unternehmen macht das weniger als 2 Prozent ihres gesamten US-Absatzes aus. Für viele Autokäufer ist es nach wie vor schwierig, ein Elektrofahrzeug zu kaufen. Das liegt an der mangelnden Verfügbarkeit von Ladestationen und daran, dass Modelle mit Benzinmotor trotz Steuergutschriften, die die Attraktivität von Elektrofahrzeugen für die Verbraucher erhöhen sollen, meist erschwinglicher sind. "Wir haben viele Gespräche über Elektrofahrzeuge", berichtet Ryan Gremore von O'Brien Auto Team of Illinois. "Aber es hat nicht dazu geführt, dass die Verbraucher zu uns kommen und sagen: 'Ich muss eins haben.'" Diese Stimmung hat den Ehrgeiz der Autoindustrie nur wenig gebremst, denn die Führungskräfte sagen, dass sie mehr Null-Emissions-Fahrzeuge in ihre Ausstellungsräume stellen müssen, um die strengeren Luftverschmutzungsvorschriften weltweit zu erfüllen.


   Trommelwirbel rund ums E-Auto weckt Interesse bei den Fahrern 

Und da es immer mehr Optionen gibt, ändert sich das Kalkül der Käufer. Eine von der Beratungsfirma Alixpartners im August organisierte Umfrage ergab, dass 19 Prozent der US-Bürger mit großer Wahrscheinlichkeit beim nächsten Autokauf ein Elektrofahrzeug kaufen werden, gegenüber 5 Prozent im Jahr 2019. "Bei den Elektroautos geht es im Moment weniger um die Nachfrage als um das Angebot", erläutert Analyst Dan Levy von Credit Suisse.

Autohändler Brad Sowers meint, dass der Trommelwirbel der Nachrichten über Elektrofahrzeuge mehr Interesse bei seinen Kunden weckt. Sowers bekam eine Stunde nach der Vorstellung des neuen elektrischen Silverado 30 Bestellungen. Doch der neue Truck wird erst Anfang 2023 in den Handel kommen. Weston Wellington, ein Finanzmanager mit einer Pferderanch und einem Bauernhof, sagt, er sei bereit, seinen nächsten Truck elektrisch zu betreiben, da die Leistung besser sei als bei Pickups mit Verbrennungsmotor. Er tendiere zwar zum neuen R1T-Elektrotruck von Rivian, aber der neue batterieelektrische Silverado hat ihn fasziniert. "Ich bin mir nicht sicher, welchen ich nehmen soll", merkt Wellington an. "Ich erwarte einfach, dass es eine große Auswahl geben wird."

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January 10, 2022 10:16 ET (15:16 GMT)