Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)--Die Chip-Knappheit verschärft sich und könnte möglicherweise auf unbestimmte Zeit hin andauern. Das hätte dann auch einen größeren Einfluss auf Autoaktien. Allerdings sind die wahren Verlierer die Verbraucher, die auf vier Räder angewiesen sind, um zur Arbeit zu kommen. GM berichtete zuletzt, dass die Produktion in drei Werken, die bisher nicht von der weltweiten Unterversorgung mit Halbleitern betroffen waren, entweder ausgesetzt oder reduziert würde. Die meisten großen Autohersteller haben nun die Produktion heruntergefahren. Auto-Mikrochips sind generell knapp, da zu Beginn der Pandemie die Aufträge gekürzt wurden und die Nachfrage aus anderen Branchen sehr stark ist.


   Engpässe dürften temporär sein 

Die geringere Produktion wirkt sich derweil bereits auf die Ergebnisse der Autohersteller aus, da sie die Verkäufe bei Auslieferung der Bestände an die Händler verbuchen. Im Februar prognostizierten GM und Ford, dass die Auswirkungen auf ihren Betriebsgewinn im Jahr 2021 in die Milliarden Dollar gehen würden. Die Halbleiterknappheit hat sich seitdem verschlimmert, so dass die geschätzte Auswirkung noch verheerender sein könnte, wenn die Unternehmen in diesem Monat ihre Ergebnisse für das erste Quartal vorlegen. Dennoch scheinen die Investoren dem Problem gegenüber recht gleichgültig zu sein. Das ist nicht so verrückt, wie es klingt, zumindest noch nicht.

Vorerst bleiben die Engpässe nämlich temporär. Noch vor ein paar Monaten hofften die Autohersteller, die Produktionsausfälle in der zweiten Jahreshälfte aufholen zu können. Das mag zwar optimistisch klingen. Dennoch sollten, solange sich das Problem nicht auf unbestimmte Zeit verschlimmert, die Hersteller in der Lage sein, den größten Teil der verlorenen Profite innerhalb von 12 oder 18 Monaten zurückzugewinnen. Die Investoren dürften in der Lage sein, über den Tellerrand einer globalen Pandemie hinauszuschauen. Dann werden sie sich nicht zu sehr an verzögert auftretenden Gewinnen der Autobauer stören. Schließlich erhöht die Halbleiterbranche auch gerade ihre Kapazitäten.


   Autobranche winken hohe Margen 

Der andere Grund, warum Investoren es sich leisten können, bezüglich der Chip-Knappheit entspannt zu bleiben, ist, dass es einen Ausgleich für die Hersteller gibt: Autos, die sie in diesem Jahr ausliefern, könnten ungewöhnlich hohe Margen aufweisen. Die Autohersteller tun alles, was sie können, um lukrativeren Modellen den Vorzug zu geben. Dies könnte eine Erklärung für die jüngsten Produktionsverlagerungen von GM sein, die die Wiederinbetriebnahme einer stillgelegten Fabrik in Missouri, die Pickups der Mittelklasse herstellt, sowie die Reduzierung der Produktion eines mittelgroßen Chevrolet Sport Utility Vehicle (SUV) und zweier Cadillac-Modelle beinhalten.

In der Zwischenzeit steigen die Fahrzeugpreise, vor allem auf dem Gebrauchtwagenmarkt - eine Folge der schnell schrumpfenden Lagerbestände, da die starken Verkäufe auf eine begrenzte Produktion treffen. Im März kostete der durchschnittliche Gebrauchtwagen laut dem Datenanbieter Edmunds 13 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, der höchste Zuwachs seit mindestens 2017.


   Autokäufer sind die Gelackmeierten 

Die größten Gewinner sind die Gebrauchtwagenhändler, aber auch die Autohersteller profitieren. So stützen die Gebrauchtwagenpreise die Neupreise, deren Vorteil sie durch Rücknahmevereinbarungen und reduzierte Kaufanreize mit den Händlern teilen. Auch ihr Leasinggeschäft profitiert von den hohen Gebrauchtwagenwerten. Auf der anderen Seite dieses Handels sitzt jeder, der aufgrund eines neuen Jobs oder eines auslaufenden Leasingvertrags ein Auto braucht. Dieses Frühjahr zeichnet sich als die schlechteste Kaufsaison seit langem ab.

Für Investoren besteht ein Risiko darin, dass einige Unternehmen besser mit der Knappheit zurechtkommen als andere, was zu Überraschungen bei den nächsten Quartalsergebnissen führen könnte. GM hat in jüngster Zeit eine bessere Bilanz im Umgang mit Störungen als Ford. Der einzige große Massenmarkt-Automobilhersteller, der keine Chip-Probleme gemeldet hat, ist Toyota, aber das könnte sich ändern. Die Lagerbestände des Unternehmens in den USA sind sehr niedrig.


   Wirtschaftliche Erholung spielt Autobauern in die Karten 

Für den Autosektor müsste die Chip-Knappheit sehr viel schlimmer werden, um die langfristigen Auswirkungen einer soliden wirtschaftlichen Erholung oder des Übergangs zu Elektrofahrzeugen auf die Gewinne zu kippen. Die positive Stimmung gegenüber diesen beiden Trends hat den Autoaktien in diesem Jahr Auftrieb gegeben. Zwar könnte sich die Stimmung leicht ändern, aber die Treiber des Sektors werden wahrscheinlich die gleichen bleiben.

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April 13, 2021 04:21 ET (08:21 GMT)