Wellington/Brüssel/Berlin (Reuters) - Das Freihandelsabkommen mit der EU ist in Neuseeland bei Vertretern der exportorientierten Landwirtschaft auf Kritik gestoßen.

Die Milch-, Schaf- und Fleischindustrie bezeichnete die Einigung am Freitag als enttäuschend. Es gebe nur einen sehr beschränkten Zugang zum großen und attraktiven europäischen Markt. Die neuseeländische Regierung verteidigte die Einigung dagegen. Sie sprach von handfesten Zuwächsen in einem restriktiven Markt.

Simon Tucker, Handelsexperte beim neuseeländischen Milch-Riesen Fonterra, sagte, die Branche sei stark von Protektionismus geprägt. Deswegen seien die Auswirkungen auch jetzt nur begrenzt. Im Verhältnis zur Größe des Gesamtmarktes blieben die Handelsmöglichkeiten gering. Sirma Karapeeva, Vorsitzende des Fleischverbandes, ergänzte, für neuseeländische Exporteure ergäben sich durch das Abkommen keine bedeutenden Geschäftsmöglichkeiten.

Die Europäische Union und Neuseeland hatten sich am Donnerstag auf ein Freihandelsabkommen geeinigt. Die Gespräche dazu hatten sich seit Mitte 2018 hingezogen. Ziel ist es, den Handel von Waren und Dienstleistungen der beiden Partner um 30 Prozent zu steigern.

Für EU-Exporte - etwa von Kleidung, Chemikalien, Pharmaprodukten, Autos, Wein und Süßwaren - sollen die Zölle künftig wegfallen. Die EU wird ihre Importmengen auf Rindfleisch aus Neuseeland um 10.000 Tonnen erhöhen, was vor allem in Frankreich umstritten ist. Außerdem werden die Kontingente für Lammfleisch, Butter und Käse angehoben.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag äußerte sich dagegen wesentlich positiver. Das Abkommen sei ein wichtiges Signal gegen den zunehmenden Protektionismus, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. "Das Abkommen beseitigt Handelshemmnisse etwa bei Zöllen, öffentlicher Beschaffung und beim Schutz geistigen Eigentums." Das sorge für mehr Rechtssicherheit für Unternehmen.

Die EU sucht wegen des Krieges in der Ukraine Alternativen zum Geschäft mit Russland. EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis sagte, von dem Abkommen mit Neuseeland gehe auch ein geopolitisches Signal aus. Die EU suche weitere Partnerschaften. DIHK-Präsident Adrian sagte, die EU müsse Handelsabkommen mit Indien, Indonesien, Thailand, den Philippinen, Malaysia und Australien anstreben. Das könne auch helfen, Lieferkettenprobleme zu reduzieren. Das deutsche Handelsvolumen mit der Region Indopazifik beträgt über 400 Milliarden Euro. Die deutsche Industrie ist bislang stark abhängig vom Geschäft mit China.

Es dürfte aber mindestens 18 bis 24 Monate dauern, bis das Abkommen mit Neuseeland in Kraft tritt. Das EU-Parlament muss zustimmen ebenso wie alle Mitgliedsstaaten. Das ist erfahrungsgemäß ein mühsamer Prozess. Beispiel Ceta, das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada: Hier wurden die Verhandlungen 2016 abgeschlossen, im September 2017 wurde es vorläufig angewendet. Bislang haben aber erst 15 EU-Länder grünes Licht gegeben. Neben Deutschland steht die Ratifizierung noch in elf weiteren Staaten aus, unter anderem in Frankreich, Italien, Griechenland, Belgien und den Niederlanden.

(Bericht von Lucy Craymer, Philip Blenkensop und Christian Krämer. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)