- von Alexander Hübner

Die Angeklagten im Münchner Audi-Prozess haben sich gegenseitig für die Software-Manipulationen an Diesel-Autos verantwortlich gemacht.

"Kein Ingenieur entscheidet darüber auf eigene Faust", sagte der Verteidiger des angeklagten Giovanni P., der bei Audi für die Abgas-Nachbehandlung zuständig war. "Das war eine strategische Entscheidung", betonte Anwalt Walter Lechner am Dienstag vor dem Landgericht München I. Die Probleme mit den Stickoxid-Werten der großen Dieselmotoren seien allen bei Audi bekannt gewesen, bis hin zur Konzernspitze. Der Mitangeklagte Wolfgang Hatz, der bei Audi eine Stufe unter dem Technik-Vorstand für die Motorenentwicklung verantwortlich war, ließ seinen Verteidiger Gerson Trüg erklären, er sei über die Manipulationen nicht informiert worden - und hätte sie auch nie gutgeheißen.

Der prominenteste der vier Angeklagten, der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler, will in dem Betrugsprozess zunächst nicht aussagen, wie sein Verteidiger Thilo Pfordte ankündigte. Er kritisierte die Entscheidung, den 57-Jährigen zusammen mit den an der Entwicklung der manipulierten Dieselmotoren beteiligten Ingenieuren anzuklagen, nicht aber mit anderen Audi-Vorständen und Führungskräften. Die Anklage gegen die Ex-Vorstände Ulrich Hackenberg, Stefan Knirsch und Bernd Martens war erst kürzlich zugelassen worden. Diese könnten deswegen möglicherweise nicht als Zeugen zugunsten von Stadler aussagen, sagte Pfordte.

Die Entscheidungen, deretwegen Stadler auf der Anklagebank sitze, seien im Audi-Vorstand gemeinsam getroffen worden, sagte der Strafverteidiger. Die Staatsanwaltschaft München II wirft dem damaligen Audi-Chef vor, den Verkauf von manipulierten Diesel-Fahrzeugen in Europa nicht gestoppt zu haben, nachdem die US-Umweltbehörde die illegale Software zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes 2015 entdeckt hatte. "Einen roten Knopf, der nur vom Vorstandsvorsitzenden betätigt werden könnte und der die Bänder zum Stillstand bringt, gibt es nicht", sagte Stadlers zweite Anwältin Ulrike Thole.

Bei den mitangeklagten Ingenieuren geht es dagegen um die Entwicklung der Motoren selbst. Der 63 Jahre alte P. gilt als Kronzeuge der Staatsanwaltschaft in dem ersten Verfahren zur Aufarbeitung des Dieselskandals im VW-Konzern. Der Italiener will als erster der Angeklagten aussagen. "Die Frage ist: Wer wusste nicht Bescheid?" fragte sein Verteidiger Lechner. Dass die Audi-Spitze versucht habe, die Manipulationen als Werk einzelner Ingenieure darzustellen, sei nicht glaubhaft. Dass P. - wie es in der Anklage heißt - von Mitarbeitern "intelligente Lösungen" gefordert habe, sei nie als Aufforderung zum Schummeln zu verstehen gewesen.

Lechner warf der Audi-Spitze und der von der Ingolstädter VW-Tochter engagierten Rechtsanwaltskanzlei Jones Day vor, die Aufklärung lange behindert zu haben. Der Verteidiger von P.s Mitarbeiter L., der ebenfalls angeklagt ist, sprach von einer Salamitaktik. Audi habe immer nur zugegeben, was nicht mehr zu leugnen war. Seither sei der vormals streng hierarchische Autobauer aber ein anderes Unternehmen geworden, ließ L. seinen Anwalt Maximilian Müller erklären.

EIN SCHLEICHENDER PROZESS

Der Einsatz der Software, die den Stickstoff-Ausstoß auf dem Prüfstand künstlich gering hielt, sei "Folge einer schleichenden Entwicklung" gewesen, führte Müller aus. "Es gab bei Audi keine Entscheidung, die Schummelsoftware einzusetzen." Man habe 2007 erkannt, dass die Vorgaben der Behörden nur durch eine Täuschung eingehalten werden könnten. Die als "Clean Diesel" beworbenen Motoren verbrauchten auf der Straße zu viel von dem Harnstoff-Zusatz "AdBlue", der den Schadstoffausstoß vermindern sollte, und die Tanks dafür waren zu klein dimensioniert.

Die VW-Tochter Audi hat für die Manipulationen 800 Millionen Euro Bußgeld gezahlt. Volkswagen hat der Skandal nach eigenen Angaben insgesamt 30 Milliarden Euro gekostet.

Wolfgang Hatz war ab 2009 für die Motorenentwicklung im ganzen VW-Konzern zuständig, 2012 stieg er in den Vorstand von Porsche auf, wurde aber 2015 beurlaubt, nachdem der Skandal im VW-Konzern aufgeflogen war. Sein Verteidiger Trüg nannte die vermeintlichen Beweise der Staatsanwaltschaft dünn. Sie berufe sich auf - nicht genau zu datierende - Telefonate mit P., in denen Hatz die Software abgenickt habe. "Aus Sicht von Herrn Hatz bestand kein technisches Problem, das nur durch Manipulation gelöst werden konnte", sagte er. Zudem seien die Vorwürfe verjährt, weil die Software für die Modelljahre nach Hatz' Wechsel nach Wolfsburg "fast vollständig neu entwickelt" worden sei.