(Neu: Überschrift, Aktualisierung R-Wert)

BERLIN (dpa-AFX) - Trotz monatelanger Einschränkungen sind die Corona-Zahlen in Deutschland immer noch recht hoch, immerhin liegen sie jedoch deutlich unter denen der Vorweihnachtszeit. Experten warnen allerdings vor neuen Gefahren durch die sehr infektiösen Virusvarianten, die zuerst in Großbritannien und Südafrika aufgetaucht waren und in Deutschland eingetroffen sind.

Angesichts der angespannten Lage wollen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder nun am kommenden Dienstag treffen, um über Einschränkungen zu beraten. Nach den Feiertagen mit weniger Tests gelten die Corona-Zahlen nun wieder als aussagekräftig.

Positiv ist derzeit, dass die Zahlen unter denen der Vorweihnachtszeit liegen - außerdem sinken die Infektionen in sieben Tagen pro 100 000 Einwohner aktuell leicht: Von 166,6 am 10. Januar auf 136,0 am Sonntag, 17. Januar, wie Daten des Robert Koch-Institut (RKI) zeigen. Wie lange dieses Sinken anhält, ist unklar. Der Höchstwert war mit 197,6 am 22. Dezember erreicht worden, danach schwankte die Zahl. Zudem sind die Unterschiede zwischen den Bundesländern weiter groß.

Das RKI bleibt in seinem Lagebericht vom Samstagabend jedenfalls vorsichtig: "Nach einem starken Anstieg der Fallzahlen Anfang Dezember, einem Rückgang während der Feiertage und einem erneuten Anstieg in der ersten Januarwoche scheinen sich die Fallzahlen wieder zu stabilisieren." RKI-Chef Lothar Wieler hatte zudem erst kürzlich vor den neuen Virusvarianten gewarnt und gebeten, auf Auslandreisen zu verzichten. Sie könnten sich auch in Deutschland durchsetzen und zu noch mehr Fällen führen. Er mahnte zugleich allgemein: Bitte bleiben Sie zuhause.

Die im Januar verschärften Corona-Regeln gelten erst seit rund einer Woche und können daher noch keine große Wirkung auf die gemeldeten Zahlen haben. Die bisherigen Einschränkungen hätten Deutschland sicher vor einer Situation wie in Irland oder anderen Ländern bewahrt, "aber eben nicht die erhoffte deutliche Trendwende gebracht", analysiert Hajo Zeeb vom Bremer Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie. "Dazu ist die Kontaktreduzierung in der Bevölkerung insgesamt offensichtlich nicht ausreichend gewesen." Das private Verhalten spiele neben dem Beruf und den damit verbundenen Wegen, etwa im öffentlichen Nahverkehr, die entscheidende Rolle. "Und da sind wir nicht mehr so konsequent wie in den frühen Zeiten der Pandemie."

Im Vergleich zur ersten Corona-Welle im Frühjahr sind die aktuellen Zahlen extrem hoch, auch wenn die Zeiträume durch die weitere Verbreitung der Viren im Herbst und die verschiedene Testanordnungen nicht exakt vergleichbar sind. Am 26. März lag der Höchstwert bei rund 6300 Neuinfektionen. An diesem Sonntag meldete das RKI 13 882 Corona-Neuinfektionen - und sonntags sind die Zahlen immer recht gering, unter anderem, weil am Wochenende weniger getestet wird. Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert schwankt seit Monaten um eins herum. Ein Infizierter steckt demnach etwa einen weiteren Menschen an. Am Sonntag lag er bei 0,93. Erst wenn er längere Zeit unter 1 liegt, flaut das Infektionsgeschehen ab.

Zu den wichtigsten Ansatzpunkten gegen die Pandemie zählt Zeeb "wieder deutlich und entschieden mehr Homeoffice", temporäre Betriebsschließungen zumindest in stark betroffenen Regionen und die verstärkte, angeordnete Nutzung von FFP-2 Masken - ärmere Menschen sollten sie bezahlt bekommen. Bei den Schulen sieht Zeeb eine sehr schwierige Balance zwischen "Nutzen und Kosten".

Insgesamt stieg die Zahl der seit Beginn der Pandemie bekanntgewordenen Infektionen auf 2 033 518 (Stand: 17.01., 00.00 Uhr). Zudem wurden laut RKI insgesamt 46 419 Todesfälle im Zusammenhang mit Corona verzeichnet. Die Zahl der täglich gemeldeten Todesfälle ist insgesamt bislang nicht erkennbar gesunken.

Der RKI-Chef Wieler verwies auch auf die hohe Arbeitsbelastung auf den Intensivstationen. Dort liege das Durchschnittsalter der Patienten teilweise unter 60 Jahren. Am Sonntag wurden nach Daten des zuständigen Divi-Registers 4971 Covid-19-Kranke intensivmedizinisch behandelt. Dort gibt es einen kleinen Lichtblick: Seit 3. Januar, als rund 5700 dieser Patienten registriert wurden, geht die Zahl zurück.

Als sehr entscheidend für die Länge des Lockdowns sieht Zeeb neben einer Trendwende bei den Corona-Zahlen und gleichzeitig intensivem Testen die Impfungen an. "Da gerade der letzte Teil noch dauert nach den letzten Nachrichten, gehe ich von mindestens weiteren sechs bis acht Wochen aus." Falls eine Trendwende vorher gelinge, könnte auch vorher schon etwas geändert werden - "aber immer mit vorsichtigen und gut monitorierten Lockerungen."/hu/DP/edh