Von Sam Schechner

NEW YORK (Dow Jones)--Der Wettlauf um die Sicherung von Elektrizitätsverträgen für stromhungrige Rechenzentren hat Tech-Unternehmen dazu gebracht, den Markt für erneuerbare Energien neu zu gestalten. Dabei stellen sie sich einer neuen Herausforderung. Wie können sie garantieren, dass ihre Investitionen tatsächlich Emissionen reduzieren? Amazon kündigte zuletzt an, Verpflichtungen zum Kauf von 1,5 Gigawatt Produktionskapazität aus 14 neuen Solar- und Windkraftanlagen auf der ganzen Welt einzugehen. Dies ist Teil seines Vorstoßes, genug erneuerbare Energie zu kaufen, um alle Aktivitäten des Unternehmens bis 2025 abzudecken.


   Tech-Konzerne wichtiger als Subventionen 

Technologieunternehmen nutzen ihre Bilanzen, um Solar-, Wind- und andere Projekte für erneuerbare Energien in einem noch nie dagewesenen Umfang zu finanzieren. In einigen Ländern, sagen die Entwickler, hätten Tech-Unternehmen staatliche Subventionen als Haupttreiber für Investitionen in erneuerbare Energien abgelöst. Die Konzerne verpflichteten sich nämlich im Voraus dazu, Energie zu einem bestimmten Preis für lange Zeiträume zu kaufen.

Amazon, Google, Facebook und Microsoft sind vier der sechs größten Unternehmenskäufer von öffentlich bekannt gegebenen Kaufverträgen für erneuerbare Energien, die 30 Prozent oder 25,7 Gigawatt der kumulierten Gesamtsumme von Unternehmen weltweit ausmachen, so das Forschungsunternehmen BloombergNef. Amazon ist der größte Unternehmenskäufer weltweit. Zu den weiteren Top-Käufern gehören der französische Ölkonzern Total und AT&T. "Es ist fast wie ein Ansturm auf saubere Energie", hat Michael Terrell, Direktor für Energie bei Google, beobachtet.


   Tech-Konzerne wollen wirklich ökologisch wirtschaften 

Das Ausmaß dieser Investitionen setzt die Tech-Unternehmen unter Druck, zu zeigen, dass die Projekte tatsächlich zusätzliche erneuerbare Kapazitäten zum Energienetz hinzufügen, anstatt das bereits vorhandene Angebot aufzusaugen. Eine heikle Frage ist, ob die Ökostrom-Käufe der Tech-Firmen Strom aus kohlenstoffemittierenden Anlagen ersetzen oder einfach die Stromerzeugung erhöhen, um den wachsenden globalen Energieverbrauch zu decken. Das ist wichtig, da die Unternehmen Verbrauchern und Investoren sagen wollen, dass sie dazu beitragen, den absoluten Kohlenstoffausstoß zu reduzieren, und ihn nicht nur verlagern.

"Nur da man ein sauberes Elektron in das Netz einspeist, bedeutet das nicht unbedingt, dass man ein kohlenstoffbasiertes Elektron verdrängt", erläutert Brian Janous, Manager für Energie bei Microsoft. Laut Janous analysiert Microsoft jetzt Stromnetze, um zu bestimmen, an welchen Orten und zu welchen Tageszeiten zusätzliche erneuerbare Energieproduktion die meiste Erzeugung aus bestehenden, mit fossilen Brennstoffen betriebenen Anlagen ersetzen würde. So ließe sich klären, wo investiert werden soll.


   Amazon einer der Vorreiter bei erneuerbaren Energien 

Amazons neueste Projekte, die sich über sieben US-Bundesstaaten sowie Kanada, Finnland und Spanien erstrecken, haben die unterzeichneten Verpflichtungen des Unternehmens auf insgesamt 10 Gigawatt an erneuerbarer Energieerzeugung erhöht, so das Unternehmen. Nach den neuen Verträgen ist Amazon laut der Renewable Energy Buyers Alliance, einer Gruppe von Unternehmen, die sich für die Beschaffung von erneuerbarer Energie einsetzt, der größte Einkäufer von sauberer Energie in den USA. Die neuen Anlagen, die Amazons Cloud-Services-Sparte, Amazon Web Services, versorgen werden, sollen in den kommenden ein bis drei Jahren in Betrieb gehen.

Direktor Nat Sahlstrom von Amazon Web Services erläutert, dass das Unternehmen nach Projekten suche, bei denen es das erste sei, um eine kommerzielle Vorlage zu schaffen, der andere Unternehmen folgen können, um die Nachfrage anzukurbeln. Er fügte hinzu, dass Amazon Projekte nur danach auswähle, ob seine Kaufverpflichtungen ausschlaggebend für die Lebensfähigkeit der Projekte seien. "Wenn wir nicht in diese Projekte investiert hätten, wären sie nicht zustande gekommen."

Statt Quantität auch Qualität in der Strombeschaffung

Google, das nach eigenen Angaben seit 2017 seinen Energieverbrauch mit erneuerbaren Energien abgleicht, betont, dass es jetzt ein schärferes Ziel verfolgt. Der Verbrauch soll mit erneuerbaren Energien abgeglichen werden und zwar nicht nur jährlich, sondern Stunde für Stunde. Demnach versucht das Unternehmen sicherzustellen, dass in den Stromnetzen, in denen es tätig ist, ausreichend kohlenstofffreie Energie zu den Zeiten vorhanden ist, in denen es Strom verbraucht, einschließlich nachts und zu Zeiten des Spitzenbedarfs.

"Ich denke, die Entwicklung geht dahin, sich nicht nur auf die Quantität, sondern auch auf die Qualität der Beschaffung zu konzentrieren", orakelt Terrell von Google. Die treibende Kraft hinter den Käufen ist die rasant steigende Datennutzung und Computerverarbeitung. In den vergangenen zehn Jahren hat die wachsende Effizienz den steigenden Verbrauch größtenteils kompensiert. Zum Teil lag das daran, da Unternehmen von stromfressenden, lokalen Computerservern zu effizienteren Cloud-Anbietern wechselten, so die Internationale Energieagentur.


   Rechenzentren als immense Stromfresser 

Doch auch wenn es noch mehr Effizienz zu nutzen gilt, ist laut den Forschern nicht klar, wie lange das noch anhält. Insbesondere spielt hier das Aufkommen von 5G-Netzwerken und dass immer mehr Menschen online leben und arbeiten eine Rolle. "Die Rechenzentrumsbranche ist einer der größten Stromverbraucher weltweit", erläutert Stefan-Jörg Göbel, vom norwegischen Energieunternehmen Statkraft. "Sie verändert die Nachfrageseite der Industrie allein durch die reine Physik."

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June 24, 2021 03:11 ET (07:11 GMT)