Von Laura Forman und Dan Gallagher

NEW YORK (Dow Jones)--Die in wenigen Wochen anstehenden Ergebnisse des zweiten Quartals dürften die Werbegiganten Facebook und die Google-Muttergesellschaft Alphabet ziemlich gut dastehen lassen. Das deutet dann darauf hin, dass das Bellen von Apples iOS-Datenschutzänderungen schlimmer war als ihr Biss. Aber Investoren sollten sich nicht zu sicher sein. Der Großteil der Auswirkungen dürfte noch auf sich warten lassen.

Im April veröffentlichte Apple eine aktualisierte Version seines Betriebssystems, die nun verlangt, dass Apps die Erlaubnis der Nutzer einholen, ihre Aktivitäten zu verfolgen, sobald sie die Apps verlassen. Für Werbeplattformen hat dieses sogenannte Off-App-Tracking in der Vergangenheit dazu beigetragen, Reklamekunden eine bessere Investmentrendite zu bieten. Die meisten Nutzer kaufen nicht sofort ein Produkt, wenn sie zum ersten Mal eine Anzeige auf einer Plattform sehen. Viele brauchen Wochen und sehen sich mehrere Wiederholungen einer Anzeige an, bis sie schließlich mit einem Kauf zuschlagen. Wenn sie dann kaufen, tun sie es oft direkt über die Website einer Marke.


   Bisher nur träge Akzeptanz von Apples neuem Betriebssystem 

Obwohl das neue Apple-Betriebssystem den größten Teil des zweiten Quartals auf dem Markt war, könnten die ersten Auswirkungen auf die Werbegiganten aus mehreren Gründen gedämpft erscheinen. Erstens waren die Pandemie-Auswirkungen im zweiten Quartal des vergangenen Jahres am stärksten, da viele Reklamekunden wegen der globalen Unsicherheit vorübergehend ihre Mittel zurückzogen. Facebook und Google steigerten ihre Umsätze in diesem Zeitraum im Jahr 2020 im Durchschnitt nur um etwas mehr als 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, was einen günstigen Vergleich fürs aktuelle Quartal bedeutet.

Zweitens ist die Akzeptanz des neuesten Apple-Betriebssystems noch ziemlich träge. Ende Juni hatte laut Statcounter etwa die Hälfte der Apple-Smartphones und -Tablets weltweit noch kein Update auf eine der beiden neuesten iOS-14-Versionen ausgeführt, die beide die Einschränkungen beim Werbetracking enthalten.


   Reklamekunden schalten mehr Werbung auf Android-Geräten 

Drittens scheinen viele Reklamekunden ihre Budgets vorsorglich verschoben zu haben, um sich mehr auf die Werbung für Android- als für iPhone-Nutzer zu konzentrieren. Von Anfang Februar bis Anfang Mai kletterte der Anteil der weltweiten Werbeausgaben für Android von etwa 60 Prozent auf mehr als 68 Prozent, so das Marketing-Analyseunternehmen Singular. Der Trend, Nutzer mit weniger strengen Datenschutzrichtlinien anzusprechen, könnte den Werbeplattformen helfen, entgangene Einnahmen von Nutzern, die sich gegen Werbung auf dem iPhone entschieden haben, wieder hereinzuholen, so die Analysten.

Aber wir sind gerade noch in der Anfangsphase. Apple-Nutzer neigen dazu, ihre Geräte schnell zu aktualisieren. Laut Statcounter sind mehr als 82 Prozent der Nutzer auf einer Version von iOS 14, das im September für die Öffentlichkeit freigegeben wurde. Im Gegensatz dazu haben weniger als 18 Prozent der Android-Nutzer auf Android 11 aktualisiert, das im selben Monat veröffentlicht wurde. Etwa 42 Prozent der iOS-Nutzer haben bereits das jüngste iOS 14-Update installiert, das vor weniger als zwei Monaten veröffentlicht wurde, was stark darauf hindeutet, dass bis zum Ende des Jahres die meisten iPhone-Nutzer ein Betriebssystem verwenden werden, das es ihnen ermöglicht, das Werbetracking spielend zu deaktivieren.


   Nutzer schränken lieber Überwachung ein 

Das sind schlechte Nachrichten für Werbeplattformen, da die meisten Nutzer die Möglichkeit zu nutzen scheinen, ihre Überwachung einzuschränken. Weltweit geben weniger als 20 Prozent der iPhone-Nutzer Apps aktiv die Erlaubnis, sie zu verfolgen, zeigen Daten von Singular, und dieser Prozentsatz könnte sich noch verschlechtern. Jüngere, technisch versierte Nutzer waren wohl die ersten, die die Updates angenommen haben, aber eine aktuelle Umfrage von F5 Labs zeigt, dass die Nutzer mit zunehmendem Alter noch datenschutzbewusster werden.

Selbst wenn Werbetreibende weiterhin einen größeren Teil ihrer Budgets für Android einsetzen, könnten Konzerne wie Facebook und Google die Auswirkungen zu spüren bekommen. Während laut Statcounter 73 Prozent der Menschen weltweit Android-Telefone nutzen, verwendet mehr als die Hälfte der Nordamerikaner ein iPhone. Nordamerika ist immer noch der größte Werbemarkt für Facebook und Google, und iPhone-Nutzer sind seit langem dafür bekannt, ein lukrativeres Segment zu sein. In seiner kürzlichen Klage gegen Apple argumentierte Epic Games, dass iOS-Nutzer ungefähr das Doppelte dessen ausgeben, was Android-Nutzer für In-Game-Transaktionen für sein mega-populäres "Fortnite" ausgeben.


   "Massenkarambolage auf dem Highway" 

Mark Shmulik von AB Bernstein vergleicht die Auswirkungen auf iOS in den nächsten Quartalen mit einer "Massenkarambolage auf dem Highway" und nennt die Android-Verschiebung einen notwendigen Umweg, den Reklamekunden nehmen müssen. Daran ändert nichts, dass es eine weniger wünschenswerte Route ist. Apples Änderungen werden den Werberiesen nicht ernsthaft schaden, vor allem nicht auf lange Sicht. Facebook hat fast die Hälfte der Weltbevölkerung, die eine seiner Apps nutzt, und verfügt damit über einen riesigen eigenen Datenschatz, auf den es weiterhin zurückgreifen kann, solange sich die Nutzer anmelden. Und da Google sowohl Android als auch die mobile Werbeplattform Ad Mob besitzt, hat das Unternehmen einen wichtigen Gegenpol.

Dennoch könnte die Wall Street die negativen kurzfristigen Auswirkungen unterschätzen, insbesondere wenn die hohen Wachstumsraten im zweiten Quartal ein falsches Gefühl der Sicherheit vermitteln. Analysten prognostizieren, dass Facebook seinen Umsatz in der zweiten Jahreshälfte um durchschnittlich 25 Prozent pro Quartal steigert - weniger als 2 Prozentpunkte unter dem, was das Unternehmen im gleichen Zeitraum in den beiden Vorjahren erreicht hat. Googles Werbeeinnahmen werden im Gesamtjahr voraussichtlich um 29 Prozent steigen, was die beste Wachstumsrate seit einem Jahrzehnt wäre. Die gewieftesten Navigatoren der Technologie werden unweigerlich einen Weg um Apples Straßensperre herum finden - es könnte nur länger dauern als erwartet.

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July 07, 2021 09:33 ET (13:33 GMT)