Von Rochelle Toplensky

NEW YORK (Dow Jones)--Trotz der ereignisreichen Woche für die großen Ölkonzerne wird der ökologische Wandel wahrscheinlich eher langsam und schmerzhaft ausfallen. Zuletzt gewann ein Aktionärsaktivist mit seinem Vorhaben, klimafreundliche Direktoren im Vorstand von Exxon zu installieren. Derweil verdonnerte ein niederländisches Gericht Shell dazu, seine gesamten Kohlenstoffemissionen zu reduzieren. Vergangene Woche stellte die Internationale Energieagentur (IEA) als langjähriger Befürworter der Industrie klar, dass Investitionen in neue Projekte für fossile Brennstoffe gestoppt werden müssen. Das sei essentiell, um das Ziel von Netto-Null-Kohlenstoffemissionen bis 2050 zu erreichen.

Der Druck auf die Erdölindustrie, sich zu dekarbonisieren, wächst gleich an mehreren Fronten. US-Erdölkonzerne, die sich von ihren vorausschauenden Kollegen auf der anderen Seite des Atlantiks inspirieren lassen, werden einige Lektionen lernen, die allerdings nicht einfach sind. Die großen europäischen Ölkonzerne haben ihre Aufmerksamkeit auf die Erweiterung bestehender, ertragreicher Standorte gerichtet, anstatt neue zu erkunden. Zugleich kürzten die Konzerne während der Coronavirus-Pandemie ihre Investitionen für Öl sowie Gas und diese sind weiterhin rückläufig. Milliarden von Dollar werden immer noch für das traditionelle Geschäft ausgegeben, aber wahrscheinlich mit einer höheren Hürde wegen der unsichereren zukünftigen Nachfrage, höheren Kapitalkosten und steigenden Kohlenstoffpreisen.

Grüne Investitionen nehmen generell zwar zu, aber das bedeutet nicht, dass Chevron und Exxon anfangen sollten, Solar- oder Windparks zu bauen. Erneuerbare Projekte könnten sich ohne einschlägige Erfahrung schwierig gestalten. Der Wettbewerb um neue Standorte ist hart und es ist ein Geschäft mit niedrigen Margen. Es besteht das Risiko, zu viel zu bezahlen. BP, der letzte der europäischen Großkonzerne, der sich der grünen Energie zugewandt hat, zahlte einen hohen Aufschlag, um sich in Offshore-Windprojekte einzukaufen.

Die vielversprechendsten Bereiche für Investitionen der US-Ölkonzerne sind die, in denen sie bereits über Fähigkeiten verfügen, die sich übertragen lassen. Raffinerien vermögen sowohl Biokraftstoffe als auch Erdöl zu verarbeiten, und verflüssigte Kraftstoffe können aus Erdgas oder Wasserstoff bestehen. Und abgeschiedenes Kohlendioxid kann zur verbesserten Ölgewinnung verwendet werden. Auch die europäischen Akteure investieren hier. Investoren sollten mit Abschreibungen rechnen, sowohl von Kapital, das in neue unwirtschaftliche Erdölprojekte investiert wurde, als auch von spekulativen Projekten für saubere Energie, die sich nicht rechnen. Der Verkauf von suboptimalen Öl- und Gasanlagen könnte sich als relativ schwierig gestalten.

Erfreulicherweise sollten sich die Rohstoffpreise und Cashflows in naher Zukunft halten, was sowohl durch die geringeren Investitionen in Erdöl als auch durch die Entschlossenheit Saudi-Arabiens, den Markt im Gleichgewicht zu halten, unterstützt wird. Das dürfte Konzernen Barmittel in die Kassen spülen, um schlagkräftige Übergangsstrategien zu finanzieren.

Selbst bei gesunden Ölpreisen könnte dies ein schwieriges Umfeld für die Aktionäre bleiben. Eine der Lehren aus dem Strategiewechsel von BP lautet, dass die Veränderung des Geschäfts traditionelle Investoren abschreckt, aber selten schnell genug erfolgt, um die schnell wachsende Schar der umweltbewussten Investoren anzuziehen. Es wird Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern, bis diese Riesenunternehmen sinnvolle Veränderungen in ihren Portfolios zeigen. Ein Beispiel dafür ist Shell, das schon vor Jahren mit der Umstellung begonnen hat, aber immer noch mit Querschlägen von Klimaaktivisten konfrontiert ist.

Auch die Dividenden sind in Gefahr. Sowohl Shell als auch BP haben im vergangenen Jahr ihre Ausschüttungen gekürzt, um umweltfreundlichere Strategien zu finanzieren - und das trotz des Einbruchs der Ölpreise. Höhere Rohölpreise könnten die Kürzungen in den USA abwenden, sofern die Verschuldung in den Griff zu bekommen ist. Eine weitere gute Nachricht für Exxon und Chevron ist, dass einige der Unbekannten, mit denen Shell und der französische Konkurrent Total bei ihren frühen Umstellungsbemühungen konfrontiert waren, verschwunden sind. Die Dekarbonisierung ist jetzt eine nahezu universelle politische Priorität, die Produktion von Elektrofahrzeugen nimmt stetig zu und Wind- sowie Solarenergie sind oft billiger als fossile Brennstoffe.

Durch die zunehmende Kontrolle und Offenlegung schrumpft der Spielraum für grüne Versprechen ohnehin. Da müssen die großen Ölkonzerne selbst gar nichts unternehmen. Die US-amerikanischen Produzenten hinken auf einem langen Weg hinterher, aber zumindest können sie von einer klareren Vorstellung davon profitieren, wie eine grünere Zukunft aussieht.

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May 28, 2021 03:19 ET (07:19 GMT)