Von Jinjoo Lee

NEW YORK (Dow Jones)--Zu behaupten, dass Exxon Mobil und Chevron ein schwieriges Jahr 2020 hinter sich haben, wäre eine arge Untertreibung. Ihre nächste Herausforderung scheint weniger beängstigend, könnte aber kniffliger sein: Sie müssen ausloten, was Anleger und Investoren gnädig stimmt.

Zahlen führen vor Augen, wie brutal das Jahr 2020 war. Die Gesamteinnahmen der beiden Ölgiganten gingen um etwa 30 Prozent zurück. Ihre langfristigen Schulden stiegen um jeweils rund 20 Milliarden US-Dollar auf ein Niveau, das sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht gesehen hatten. Kein Wunder, dass die beiden Energieriesen im vergangenen Jahr über eine Fusion diskutierten, die bis dahin undenkbar erschien.


   Exxon und Chevron machen wieder Gewinn 

Im Vergleich dazu sehen ihre Ergebnisse für das erste Quartal 2021 wieder recht rosig aus. Umsatz und Nettogewinn von Exxon lagen über den Schätzungen der von Visible Alpha befragten Analysten. Chevron hingegen blieb hinter den Erwartungen zurück, hauptsächlich aufgrund bescheidener Gewinne im Downstream-Bereich, der Aufbereitung, Vermarktung und Vertrieb umfasst.

Beide haben dennoch nach einem Jahr in den roten Zahlen wieder einen Nettogewinn erwirtschaftet und einen starken freien Cashflow erzielt: 3,4 Milliarden US-Dollar bei Chevron und rund sechs Milliarden US-Dollar bei Exxon. Das ist ein gewaltiger Unterschied zu einem Jahr mit anämisch schwachem freiem Cashflow bei Chevron und Abflüssen bei Exxon. Trotz der angespannten Bilanz halten beide Unternehmen an ihrem letztjährigen Versprechen fest, die Dividende zu erhöhen. Chevron machte bereits eine entsprechende Ankündigung für dieses Jahr

Obwohl die höheren Ölpreise die Erholung der Energieriesen unterstützen, sind die Auswirkungen der Pandemie immer noch spürbar. Die Gewinne im Downstream-Bereich blieben schwach, auch weil sich die Nachfrage nach Flugzeugtreibstoff und der weltweite Reiseverkehr noch nicht vollständig erholten.

Das Chemiegeschäft war der Star unter Exxons Geschäftsfeldern, weil die hohe Nachfrage nach Kunststoff anhielt. Der Wintersturm in Texas hatte seine zwei Seiten: In der Spitze legte er rund 75 Prozent der US-Polyethylen-Kapazitäten lahm, darunter auch einige Exxon-Anlagen. Andererseits führte das auch zu einer Verbesserung der branchenweiten Margen. Der Gewinn von Exxon im Chemiegeschäft fiel im ersten Quartal fast zehnmal so hoch aus wie ein Jahr zuvor.


   Aktivistische Investoren erhöhen den Druck 

Trotz aller Fortschritte sank sowohl der Aktienkurs von Exxon als auch der von Chevron nach den Mitteilungen vom Freitag leicht. Über die vergangenen zwölf Monate betrachtet legten die Aktien dennoch um 25 Prozent beziehungsweise um 13 Prozent zu. Nun, da beide Unternehmen aus dem Gröbsten heraus sind, wird klar, dass die Anleger noch mehr von ihnen verlangen.

Im Falle von Exxon zeigt sich dies im schärfer werdenden Kampf um die Stimmrechte bei der Hauptversammlung, die für den 26. Mai anberaumt ist. Der aktivistische Investor Engine No.1 hat angekündigt, dass er von großen Pensionsfonds, darunter Calstrs, unterstützt wird. Chevron wandelt derweil auf einem schmalen Grat zwischen den finanziellen Möglichkeiten und den Erwartungen an Rückkäufe, nach denen die Anleger immer lauter rufen.

Die Anleger haben auch allen Grund, selbstbewusst aufzutreten: Die Renditen beider Unternehmen auf das investierte Kapital sind in den vergangenen fünf Jahren im einstelligen Bereich stecken geblieben. Das ist weit unter dem, was früher üblich war.

Beide Unternehmen haben die Gefahrenzone im ersten Quartal verlassen. Eine Atempause ist ihnen trotzdem nicht gegönnt. Die kommenden Quartale werden dem Management noch allerhand Kopfschmerzen bereiten.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/DJN/rer/mgo

(END) Dow Jones Newswires

May 03, 2021 03:49 ET (07:49 GMT)