München (Reuters) - "Special purpose acquisition company", kurz SPAC - die sperrige Abkürzung steht für einen der größten Trends am US-Aktienmarkt.

Immer mehr Unternehmen nutzen diese Hintertür, um schnell an die Börse zu gehen, die trotz der Corona-Pandemie neue Aktien begierig aufsaugt. Ob die SPAC-Welle im neuen Jahr nach Europa und Deutschland schwappt, ist aber umstritten.

WAS IST EIN SPAC?

Ein SPAC ist zunächst nur eine leere Unternehmenshülle, die an der Börse gelistet ist. Ein oder mehrere Initiatoren sammeln dafür vorher Geld bei Investoren ein, mit dem Versprechen, damit auf die Suche nach einem Unternehmen zu gehen. Dieses wird dann übernommen, auf das SPAC verschmolzen und damit - quasi über eine Abkürzung - an die Börse gebracht. Oft kommen bei diesem sogenannten "De-SPAC-ing" weitere institutionelle Investoren an Bord. Die SPAC-Investoren wissen vorher nur, aus welcher Branche das Zielobjekt stammen soll.

WAS BRINGT DAS?

Für die Unternehmen, die sich von einem SPAC schlucken lassen, und ihre Eigentümer kann das ein effizienter, schneller Weg an die Börse sein. Sie müssen sich nicht selbst um Investoren bemühen, was gerade in Corona-Zeiten schwierig sein kann, und kürzen den langwierigen Genehmigungsprozess der US-Börsenaufsicht ab. Für die SPAC-Investoren ist es eine Art Wette auf das Geschick der Initiatoren - oft selbst Geschäftsleute mit Branchenerfahrung oder Investmentbanker -, Übernahmeobjekte zu finden, die zu einer möglichst großen Wertsteigerung führen.

WIE GROSS IST DER MARKT?

Im vergangenen Jahr sind nach Daten von Dealogic 82,4 Milliarden Dollar in 248 SPACs investiert worden - das ist mehr als die Hälfte des gesamten Emissionsvolumens bei Börsengängen. Diese haben bisher 96 Firmen für 147 Milliarden Dollar gekauft. Die größte Übernahme durch ein SPAC war die der Hypothekenbank United Wholesale Mortgage, die 16 Milliarden Dollar kostete. Prominente Beispiele für Börsengänge über ein SPAC sind der Zahlungsabwickler Paysafe und der umstrittene Elektro-Lkw-Hersteller Nikola. Kurz vor dem Jahreswechsel kündigte die US-Investmentbank Perella Weinberg an, über die Fusion mit einem SPAC an die Börse zu gehen.

GIBT ES DAS AUCH IN DEUTSCHLAND?

Bisher kaum. Als erste hatten Carsten Maschmeyer, Thomas Middelhoff und Roland Berger 2009 ein SPAC mit dem Namen Germany1 an die Börse gebracht, das den Mittelständler AEG Power Solutions schluckte. 2017 rutschte AEG Power in die Pleite, die Holding wurde letztlich von der Börse genommen. 2018 endete auch die Börsengeschichte des SPAC Electrawinds in der Insolvenz. Die schweizerische Exceet Group - vorher Helikos - ist noch gelistet, führt aber an der Börse ein Mauerblümchendasein. Es fehle sowohl an Initiatoren als auch an Investoren, geben sich Experten skeptisch, was einen SPAC-Boom in Deutschland angeht. Nach einem Bloomberg-Bericht versucht aber der Start-up-Investor Lakestar 400 Millionen Euro für ein deutsches SPAC einzusammeln, das auf die Jagd nach größeren Technologiefirmen gehen soll.

GIBT ES ALTERNATIVEN?

Bis vor etwa einem Jahrzehnt waren leere "Börsenmäntel" in Deutschland populär. Börsenkandidaten schlüpften - ähnlich wie bei einem SPAC - in diese Mäntel, die zumeist die Überreste von insolventen Unternehmen waren. Sie profitierten zudem von den Verlustvorträgen, die die Vorgängerfirmen angesammelt hatten und mit denen sie ihre Steuerlast reduzieren konnten. Inzwischen hat der Gesetzgeber die Verlust-Verrechnung stark eingeschränkt. Zudem können sich Firmen einfacher von der Börse zurückziehen, so dass keine Börsenmäntel mehr übrigbleiben.

Wer heute schnell an die Börse gehen und nicht auf ein SPAC zurückgreifen will, kann ein Direktlisting (direct listing) versuchen. Dabei umgeht das Unternehmen den komplexen und teuren Bookbuilding-Prozess und lässt seine Aktien einfach zum Handel an der Börse zu. Dann haben die Investoren die Möglichkeit, ihre Anteile zu verkaufen oder neue zu kaufen. Investmentbanken, die sonst bei der Suche nach Anlegern helfen, spielen dabei nur eine Nebenrolle. Attraktiv ist das vor allem für Start-ups, bei denen Frühphasen-Investoren auf einen Ausstieg drängen. Frisches Geld kommt dabei aber nicht in die Kasse, und ohne einen gewissen Bekanntheitsgrad, der neue Aktionäre anlockt, ist das Direct Listing riskant. Bekanntestes Beispiel ist der schwedische Musik-Streaming-Dienst Spotify.