Von Jinjoo Lee

NEW YORK (Dow Jones)--In der aktuellen Wirtschaftslage gibt es ein Motto. Es lautet: Masken runter, Lippenstift drauf. In einer düsteren Wirtschaftslage könnten die Verbraucher andere Anschaffungen einschränken, aber für kleine Luxusgüter wie Lippenstift werden sie weiterhin Geld ausgeben - so zumindest die Theorie. "Wenn die Lippenstiftverkäufe steigen, wollen die Leute keine Kleider kaufen." Das sagte Leonard Lauder, der damalige Chairman von Estée Lauder, dem die Erfindung des so genannten "Lippenstift-Index" zugeschrieben wird, 2001 dem Wall Street Journal.

L'Oréal-Chef Nicolas Hieronimus wies bei der Bilanzvorlage des Unternehmens im Oktober darauf hin, dass ein Luxuslippenstift oder eine Wimperntusche nur 30 Euro kosteten und damit ein "erschwinglicher Genuss" seien. Die Umsätze von L'Oréal kletterten im dritten Quartal um 9,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, obwohl die Umsätze in China wegen der Covid-bedingten Lockdowns zurückgingen. Coty, der Hersteller von Covergirl Make-up, meldete für den gleichen Zeitraum ein organisches Umsatzwachstum von 9 Prozent.

Die Umsätze im Markt für Beauty-Produkte waren auch ein seltener Lichtblick für Einzelhändler. Die US-Kette Target gab an, dass die Umsätze in der Schönheitskategorie in dem am 29. Oktober beendeten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um etwa 15 Prozent zulegten. Dabei verdreifachten die Ulta-Beauty-Shops in den Target-Märkten ihr Gesamtumsatzvolumen in diesem Zeitraum glatt.


   Nach Maskenpflicht zeigen die Frauen wieder Lippenstift 

Während die Macy's-Filialen im vergangenen Quartal einen Umsatzrückgang auf vergleichbarer Fläche verzeichneten, schaffte die auf Beauty-Produkte spezialisierte Tochter Bluemercury zugleich einen Umsatzanstieg von 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und auch die Kohl's-Filialen mit Sephora schneiden besser ab als der Rest der Kaufhauskette. Von den 14 Kategorien, die das Marktforschungsunternehmen NPD untersucht, ist Prestige Beauty - mit Produkten, die man in einem Kaufhaus oder bei Sephora finden kann - die einzige Kategorie, die im bisherigen Jahresverlauf ein Umsatzwachstum aufweist. Und der Lippenstift, der während der Maskenplicht-Pandemie gelitten hat, holt die verlorene Zeit wieder auf. Laut Larissa Jensen, Analystin für die Schönheitsbranche bei der NPD Group, sind die Lippenstiftverkäufe bis Oktober dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 37 Prozent gestiegen. Das ist eine Beschleunigung gegenüber dem Wachstum von 31 Prozent im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Laut Larissa Jensen sind Lippenprodukte die einzige große Kategorie innerhalb der Prestigekosmetik, in der die Verkäufe im Vergleich zur Vorpandemie zugelegt haben.

Die Kosmetikunternehmen haben auch die starken Umsätze im Düfte-Segment hervorgehoben und diese als "Duftindex" bezeichnet. So war die Nachfrage so stark, dass es einen branchenweiten Mangel an Duftkomponenten gibt, erklärte Coty in einer Pressemitteilung zur Bekanntgabe der Ergebnisse des dritten Quartals. CEO Sue Nabi sagte, Coty habe keine Abschwächung des Handels oder eine Verlangsamung der Nachfrage feststellen können, und wies auch darauf hin, dass die Verbraucher Parfüm nicht mehr verschenkten, sondern selbst kauften. "Ein großer Teil davon ist einfach eine Verschiebung dessen, was Wellness für die Verbraucher bedeutet", meint Jensen von der NPD Group. "Die Schönheitsbranche ist eine der wenigen Branchen, die in der Lage sind, die emotionalen Bedürfnisse der Verbraucher zu erfüllen. Es gibt ihnen ein gutes Gefühl."


   Nagellack und Lippenstift als kleines Verwöhnprogramm 

Während der Lippenstift-Effekt in der Rezession Anfang der 2000er Jahre beobachtet werden konnte, war dies während der Rezession 2007-09 nicht der Fall, in der die Lippenstiftverkäufe zusammen mit anderen Käufen zurückgingen. Dies könnte zum Teil mit der kategoriespezifischen Dynamik zu tun haben. Im Jahr 2001 gab es viele Neuheiten in der Kosmetikbranche, darunter auch Lipgloss, eine damals relativ junge Kategorie. Dieser Rückenwind war ab 2008 einfach nicht mehr da, obwohl sich Nagellack in dieser Zeit als das kleine Verwöhnprogramm der Verbraucherinnen erwies. Dieses Mal wollen sie vielleicht einen Teil ihres Gesichts zeigen, der während der Pandemie so lange hinter einer Maske verborgen war. In einem ansonsten düsteren Umfeld für Unternehmen, die nicht-lebenswichtige Güter verkaufen, dürften die Kosmetikhersteller gut gerüstet sein, um mit einem frischen Aussehen aus der Weihnachtssaison hervorzugehen.

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November 25, 2022 04:34 ET (09:34 GMT)