Wien (Reuters) - Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) verteidigt die umstrittenen neuen Vergabekriterien für Immobilienkredite.

Die im Sommer eingeführte Verordnung sei notwendig geworden, um systemische Risiken aus einer Verschlechterung der Kreditqualität entgegenzuwirken, erklärte die Notenbank am Dienstag bei der Präsentation des Finanzmarktstabilitätsberichts. "Gerade im aktuellen Umfeld von stark steigenden Zinsen und Lebenserhaltungskosten sowie der hohen Immobilienpreise ist dies nicht nur aus Gründen der Finanzmarktstabilität wichtig, sondern auch um eine Überschuldung der Haushalte zur vermeiden."

Die systemischen Risiken aus der Wohnimmobilienfinanzierung sind laut OeNB in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Das sei vor allem auf steigende Preise, die steigende Verschuldung der Kreditnehmer, den hohen Anteil zu ursprünglich niedrigen Zinssätzen abgeschlossenen variabel verzinsten Finanzierungen sowie auf die unzureichende Einhalten der Standards für die Kreditvergabe zurückzuführen. "Wir sind immer noch bei 47 Prozent variabel verzinster Kredite, das ist höher als die vergleichbaren Größen im Euro-Raum", sagte die für die Abteilung Volkswirtschaft zuständige OeNB-Direktorin Birgit Niessner. Damit sei ein beträchtlicher Anteil an verschuldeten Haushalten von den steigenden Zinsen betroffen.

Angesichts der steigenden Zinsen forderte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) kürzlich, eine Lockerung zu prüfen. "Aufgrund der verschärften Bedingungen für die Kreditvergabe tritt zunehmend die Situation ein, dass die Menschen in unserem Land nicht mehr in der Lage sind, Zugang zu Krediten zu erlagen", schrieb der Minister in einem Brief an die Finanzmarktaufsicht (FMA).

Die neuen Vergabekritieren sehen vor, dass für den Kauf einer Immobilie 20 Prozent des Kaufpreises in Form von Eigenkapital nachgewiesen werden müssen. Zudem darf die monatliche Kreditrate höchstens 40 Prozent des monatlichen verfügbaren Nettohaushaltseinkommens ausmachen und die Laufzeit der Finanzierung 35 Jahre nicht übersteigen. Den Banken wurde aber ein Ausnahmekontingent von 20 Prozent eingeräumt, wo sie über die Kriterien hinweg sehen können. Den Geldhäusern sind die Kriterien ein Dorn im Auge, da unter anderem dadurch die Nachfrage nach Hypothekarkrediten zurückgehe.

Das Wachstum der Bankkredite an Haushalte habe sich zuletzt abgeschwächt, erklärte die OeNB. Es sei jedoch mit 4,7 Prozent im September nach wie vor auf einem hohen Niveau und höher als in den Jahren 2008 bis 2020. Der Löwenanteil der Entwicklung liegt laut OeNB-Vize-Gouverneur Gottfried Haber bei den steigenden Zinsen und der Inflation. Er verwies zudem auf die hohen Immobilienpreise, die sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt hätten. "Wir haben ein Leistbarkeitsproblem im Bereich der Immobilien", sagte Haber. "Wir dürfen es aber nicht kompensieren, indem wir nicht leistbare Immobilien mit einer nicht leistbaren Finanzierung ermöglichen und am Ende dann für Haushalte, aber auch für Banken und für die Realwirtschaft am Ende dann ein Schaden entsteht". Insgesamt zeige der Bankensektor eine solide Risikotragfähigkeit. Den Instituten empfiehlt Haber dennoch ihre Kapitalbasis weiter zu stärken und bei Dividendenausschüttungen zurückhaltend zu sein.

Bis Anfang März erwartet die OeNB von den Kreditinstituten Daten über die Ausnützung der Ausnahmeregelung. Danach soll die Lage evaluiert werden. "Dann kann man schauen, wo man Veränderungen vornehmen kann", sagte Haber. Als Beispiel nannte er hier Zwischenfinanzierungen.

(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)