DETTINGEN/ERMS (dpa-AFX) - ElringKlinger bekommt ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk und wird am Montag vor Heiligabend in den Nebenwerte-Index SDax zurückkehren. Der Zulieferer wurde jahrelang schwer gebeutelt, nun kommt noch die Corona-Krise obendrauf. Die Wende sollen Brennstoffzellen bringen. Der wasserstoffbasierte Antrieb hat an der Börse einen regelrechten Hype ausgelöst. Was beim Unternehmen los ist, wie sich die Aktie entwickelt und was Analysten dazu sagen.

DAS IST LOS BEI ELRINGKLINGER:

ElringKlinger ist vor allem mit Komponenten für Verbrennungsmotoren groß geworden. Auch das 1879 gegründete Traditionsunternehmen kann sich dem Wandel in der Autoindustrie aber nicht verschließen und ist inzwischen stark in der Entwicklung von Elektroantrieben und Brennstoffzellen engagiert. Das klassische Autogeschäft hat in der Vergangenheit aber immer noch stark auf den Aktienkurs gedrückt.

Der Konzern hat seit Jahren einerseits mit der Flaute am Automarkt und den internationalen Handelskonflikten, aber andererseits auch mit Kostenproblemen zu kämpfen, die kurioserweise mit einer zu hohen Kapazitätsauslastung der Werke in Nordamerika zusammenhängen. Denn wegen der hohen Nachfrage vor Ort musste das Unternehmen teure Extraschichten fahren und Sonderfrachten organisieren.

Nun belastet die Corona-Pandemie noch zusätzlich und hat die weltweite Autoproduktion einbrechen lassen. ElringKlinger hat sich allerdings bisher recht wacker geschlagen. Das Unternehmen aus dem nahe Stuttgart gelegenen Dettingen an der Erms hatte sich früh auf unruhige Zeiten eingestellt, die Effizienz gesteigert und Kosten gespart. Nach tiefroten Zahlen im zweiten Quartal hat sich das Geschäft im Sommer etwas erholt.

Aber die Krise scheint angesichts der zweiten Corona-Welle alles andere als überstanden. Die Folgen weiterer Lockdowns in verschiedenen Ländern dürften aus Sicht von ElringKlinger auch auf den Automärkten zu spüren sein. Vorstandschef Stefan Wolf hatte schon im November gesagt, "dass insgesamt eine Unterbrechung der Erholung nicht unwahrscheinlich ist."

Mitten in dieser schwierigen Situation kehrt ElringKlinger in die Dax-Familie zurück. Der Zulieferer war im September 2018 aus dem SDax geflogen, als die Aufstockung des Index von 50 auf 70 Mitglieder allgemein viel durcheinander gewirbelt hatte.

Der Weg zu alter Stärke soll für ElringKlinger mit Brennstoffzellen gelingen - für Autobranche und Luftfahrt gleichermaßen. Der SDax-Rückkehrer hat in der Pandemie drei wichtige Partnerschaften abschließen können: Eine Kooperation mit Flugzeugbauer Airbus, die Zusammenarbeit mit dem niederländischen Fahrzeughersteller VDL Bus & Coach und ein für 2021 geplantes Gemeinschaftsunternehmen mit dem französischen Zulieferer Plastic Omnium.

Airbus will mit der ElringKlinger-Technologie bis 2035 ein wasserstoffbetriebenes Flugzeug bauen. Wasserstoff gilt als wichtiger Baustein für eine klimafreundliche Energieversorgung ohne Treibhausgase. Mit VDL Bus & Coach und Plastic Omnium sollen Brennstoffzellen-Stacks marktfähig gemacht werden. In einem solchen Stack entsteht durch eine Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff elektrische Energie.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Wasserstoff beschäftigt nicht nur Politik und Wirtschaft, sondern zunehmend auch Anleger. Um Wasserstoff-Aktien wie Nel, SFC Energy und 2G Energy hat sich jüngst ein Hype entwickelt - der nun auch bei ElringKlinger angekommen ist.

Im Oktober hatte die Ankündigung der Airbus-Kooperation die Aktie des Zulieferers wieder zum Leben erweckt. Nachdem sie monatelang zwischen 5 und 6 Euro unterwegs war, kletterte sie zuletzt immer weiter Richtung 16 Euro nach oben. Das Corona-Tief im März bei 3,415 Euro hat sie weit hinter sich gelassen, sie ist jetzt mehr als viereinhalbmal so wertvoll und steht auf dem höchsten Stand seit rund zweieinhalb Jahren - damit ist das Unternehmen an der Börse wieder knapp eine Milliarde Euro wert.

Von den goldenen Zeiten rund um das Jahr 2013 ist das ElringKlinger-Papier aber immer noch weit entfernt. Damals hatte die Aktie bei 35,52 Euro ein Rekordhoch erreicht und war sogar noch im MDax notiert. Während am Gesamtmarkt immer neue Rekorde gefeiert wurden, sackte ElringKlinger weiter und weiter ab. Vom Rekordhoch bis zum Corona-Tief gingen in etwa sieben Jahren mehr als 90 Prozent Börsenwert flöten.

Auch andere Zulieferer hat in den vergangenen Jahren allerdings ein ähnliches Schicksal ereilt. Stabilus und vor allem Schaeffler haben ebenfalls schon bessere Zeiten erlebt. Die wiedererstarkte ElringKlinger-Aktie wird den beiden künftig Gesellschaft im SDax leisten, während Leoni so stark gebeutelt wurde, dass der Zulieferer im Gegenzug den Nebenwerte-Index verlassen muss.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Mit der jüngsten Rally ist die ElringKlinger-Aktie den Kurszielen der meisten Analysten deutlich enteilt. Hauck & Aufhäuser sticht aber mit einer seltenen Kaufempfehlung hervor und sieht mit einem Kursziel von 21 Euro noch weiteres Aufwärtspotenzial um rund ein Drittel. Experte Christian Glowa geht davon aus, dass Anleger den Perspektiven der Brennstoffzelle bald noch mehr Vertrauen schenken. Die Papiere von ElringKlinger seien geradezu verurteilt für eine Neubewertung.

Im krassen Kontrast dazu steht JPMorgan-Analyst Jose Asumendi mit einem sehr skeptischen Kursziel von nur 4,30 Euro. Er lobt zwar die Kooperation mit Plastic Omnium als wichtigen Schritt zum "Global Player" im Wasserstoff-Bereich, der sich künftig nicht nur mit der europäischen Konkurrenz Bosch und Symbio messen könne. Und die Airbus-Partnerschaft biete dringend benötigte Finanzmittel zum Ausbau des Geschäfts. Aber dennoch rät Asumendi, wie die Mehrheit der namhaften Experten, zum Verkauf der Aktie.

Trotzdem erntet vor allem die Zusammenarbeit mit Airbus viel Zuspruch der Fachleute: Marc-Rene Tonn vom Analysehaus Warburg Research bezeichnet sie als "Meilenstein für den Autozulieferer ElringKlinger auf dem Weg, seine Fähigkeiten im Bereich der Brennstoffzellen-Technologie zu kommerzialisieren." Außerdem zeige die Partnerschaft, dass ElringKlinger über konkurrenzfähige Produkte verfüge, ergänzt Commerzbank-Analystin Yasmin Steilen. Sie unterstreicht zudem die Signalwirkung des Deals für einen verstärkten Einsatz der Brennstoffzellen-Technologie insgesamt.

Steilen gibt aber zu bedenken, dass vor dem Jahr 2035 kaum nennenswerte Umsatzbeiträge aus der Airbus-Zusammenarbeit erwachsen dürften. Die Partnerschaften rechtfertigten die Kursexplosion also nicht, schrieb Analyst Sven Diermeier vom Analysehaus Independent Research, obwohl optimistische Corona-Impfstoffnachrichten eine dynamische Konjunkturerholung wahrscheinlicher machten.

Auch Michael Raab von Kepler Cheuvreux empfindet die positiven Aussichten an der Börse für zu stark gefeiert. Und Michael Punzet von der DZ Bank hält die Kursreaktion vor allem mit Blick auf die operative Entwicklung der anderen Segmente bei ElringKlinger ebenfalls für überzogen.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg hat derzeit zwölf Analysten erfasst, die sich seit Ende Oktober mit aktuellen Studien zu Wort gemeldet haben. Darunter sind sechs Verkaufs-Empfehlungen, vier neutrale Einschätzungen und nur zwei Kaufen-Einstufungen. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei knapp neun Euro./niw/ssc/zb