(neu: Aussagen aus der Telefonkonferenz, Analysten, Aktienkurs aktualisiert, bestätigtes Mittelfristziel)

HAMBURG (dpa-AFX) - Der Wirkstoffforscher Evotec ist mit einem Umsatzsprung in das Jahr gestartet, doch die Investitionen in den Kapazitätsausbau drücken weiterhin auf das Ergebnis. Im ersten Quartal lastete zudem die Neubewertung einer Unternehmensbeteiligung schwer auf der Bilanz und drückte die Hanseaten unter dem Strich in die roten Zahlen. Konzernchef Werner Lanthaler zeigte sich in einer Analystenkonferenz gleichwohl äußerst zufrieden mit dem Quartal. "Wir erleben in allen entscheidenden Bereichen eine starke Dynamik", sagte der Manager. An der Börse verlor die Aktie am Mittwoch jedoch deutlich.

Das Papier brach nach den Geschäftszahlen zweistellig ein und fiel bei 20,24 Euro auf ein weiteres Tief seit April 2020. Am Nachmittag stand die Aktie noch mit knapp 13 Prozent im Minus. Die kräftige Vortageserholung in Folge einer erweiterten Partnerschaft mit dem US-Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) ist damit verpufft. Im laufenden Jahr hat sich der Kurs als einer der schwächsten MDax-Werte mehr als halbiert, wobei der Kursverfall im Februar durch das überraschend vom Forschungspartner Bayer verkündete Aus für ein Hustenmittel beschleunigt wurde.

Die Hanseaten steigerten im ersten Quartal den Erlös im Jahresvergleich um fast ein Viertel auf knapp 165 Millionen Euro. Dazu trug ein ähnlich starkes Wachstum in beiden Unternehmensbereichen bei. Zudem profitierte die Firma erneut von Meilensteinzahlungen.

Ein Händler sprach von einem gemischt ausgefallenen Jahresstart - während es umsatzseitig für Evotec besser als gedacht gelaufen sei, habe das Betriebsergebnis enttäuscht. Auch Analyst Bruno Bulic vom Investmenthaus Stifel bezeichnete den Jahresstart in einer ersten Einschätzung als durchwachsen: Die Hamburger hätten sich gut entwickelt - allerdings mit Ausnahme der US-Tochter Just-Evotec Biologics.

Im Bereich der Entwicklung und Anwendung von Biotherapeutika habe man lediglich das Umsatzniveau des Vorjahres erreicht, was angesichts des am Markt erwarteten Plus von 30 Prozent für Aufmerksamkeit bei den Anlegern sorgen dürfte, so Bulic. Nach den tags zuvor gemeldeten millionenschweren Einnahmen aus der gestreckten Kooperation mit BMS habe der Markt möglicherweise zudem mit einem optimistischeren Jahresausblick gerechnet. Firmenlenker Lanthaler verwies in diesem Zusammenhang auch auf die gestörten Lieferketten, mit denen der Konzern umzugehen habe, gleichzeitig sei es mit Blick auf die Ziele noch "früh im Jahr".

Für die bestätigten Jahresziele hat Evotec ein starkes Auftragsbuch im Rücken, dieses sei so gut gefüllt wie nie, so Lanthaler. Im vergangenen Quartal schloss der Konzern neue Partnerschaften etwa mit dem US-Konzern Eli Lilly und dem deutschen Arzneimittelhersteller Boehringer Ingelheim ab.

Besonders lukrativ könnte die erst am Vortag bekannt gegebene verlängerte und erweiterte Kooperation mit dem BMS-Konzern werden. Dabei geht es um einen Ansatz zum gezielten Proteinabbau, mit dem sich laut den Unternehmen langanhaltende therapeutische Wirkungen erzielen lassen. BMS sei auf dem Gebiet führend, die Kooperation mit Evotec in ihrem Umfang und der Länge in der Industrie einzigartig, hieß es dazu auf der Analystenkonferenz. Die Hanseaten sollen über eine erste Abschlagszahlung von 200 Millionen US-Dollar hinaus erfolgsabhängige Zahlungen bekommen. Das mögliche Gesamtvolumen hatte Evotec mit fünf Milliarden Dollar beziffert.

Während solche Kooperationen mit der Industrie grundsätzlich die Aussicht auf Meilensteinzahlungen und Umsatzbeteiligungen mit sich bringen, nimmt der MDax-Konzern jedoch seit geraumer Zeit auch mehr Geld für die Forschung und Entwicklung in die Hand. Evotec erweitert dabei gezielt das Angebot für seine Kunden, aber auch die eigene Forschungspipeline. "Wir investieren damit in künftiges Wachstum, und Sie dürfen in Zukunft noch einiges mehr von uns erwarten", sagte der Evotec-Chef. Er hat dem Unternehmen bis 2025 einen Umsatzzuwachs auf mehr als eine Milliarde Euro verordnet. Im laufenden Jahr will der Vorstand den Erlös um bis zu 17 Prozent auf 700 bis 720 Millionen Euro steigern.

Doch die höheren Investitionen schlagen derzeit noch negativ auf das Ergebnis durch, ebenso wie der aktuelle Anlauf von Produktionsanlagen für biopharmazeutische Wirkstoffe. Hiervon hat Evotec in der jüngsten Vergangenheit eine erste in den USA in Redmont in Betrieb genommen, die zweite soll am französischen Standort Toulouse entstehen. Wegen der deutlich gestiegenen Kosten ging das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) zum Jahresstart auf 18,9 Millionen Euro zurück, nach 21,1 Millionen vor einem Jahr. Auf Jahressicht bleibt es bei dem Ziel, bei dieser Kennziffer 105 bis 120 Millionen Euro (Vorjahr: 107 Mio) Euro zu erreichen.

Unter dem Strich rutschte Evotec im Berichtszeitraum mit 73,2 Millionen Euro ins Minus, vor einem Jahr gab es noch einen Überschuss von 53 Millionen Euro. Für den jetzigen Fehlbetrag ist den Angaben zufolge der jüngste Kursrutsch der britischen Beteiligung Exscientia verantwortlich, im Vorjahr hatte diese Evotec nach einer Finanzierungsrunde noch einen Millionenbeitrag gebracht./tav/men/he