FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Analysten von JPMorgan räumen mit ihren bisherigen Bedenken zur Gerresheimer-Aktie auf: Der Spezialverpackungshersteller steht ihrer Meinung nach vor einer "bedeutenden Chance" durch die Fertigung von Insulin-Pens für sogenannte GLP-1-basierte Behandlungen - einem Markt, dem die Pharmaexperten der Bank kräftiges Wachstum zutrauen. Dass der Barmittelfluss beim MDax-Unternehmen laut einer am Donnerstag vorliegenden Studie vorerst weiter schwach bleiben dürfte, rückt für Analyst David Adlington damit in den Hintergrund. So investiert Gerresheimer kräftig in den Produktionsausbau.

Der Experte hob in der Analyse sein bisher neutrales Votum auf "Outperform", das Kursziel stockte er von 67,80 auf 144,10 Euro auf. Damit sieht er ein Aufwärtspotenzial von fast zwei Drittel, denn die Aktie kostete zuletzt gut 86 Euro.

Der schwache Barmittelfluss hatte Adlington bisher bei Gerresheimer die größten Sorgen bereitet. Allerdings handele es sich wohl zu großen Teilen um das Resultat der Anlaufkosten für die Pen-Produktion, vermutet der Experte.

Gerresheimer habe inzwischen mit den beiden GLP-1-Herstellern Novo Nordisk und Eli Lilly zwei Langzeitverträge mit einer Laufzeit bis zu zwölf Jahren geschlossen. Dabei dürften die Düsseldorfer für die beiden Insulin-Produzenten zwar nicht der einzige Zulieferer bleiben, dennoch sei die Zusammenarbeit bedeutsam.

Die noch recht jungen GLP-1-basierten Behandlungen gelten in der Gesundheitsindustrie als wichtige Entwicklung und sind zunehmend im Kommen. Bei den betroffenen Diabetes-2-Patienten funktioniert ein bestimmtes körpereigenes Hormon nur unzureichend - es wird daher nachgeahmt, um den Blutzuckerspiegel zu senken. Die Pharmaexperten von JPMorgan rechnen mit einem weltweiten Umsatz von 39 Milliarden Dollar im Jahr 2025, nur fünf Jahre später dürfte die Summe ihren Schätzungen zufolge bereits auf 67 Milliarden Dollar wachsen.

Damit sieht Adlington auch die Weichen für Gerresheimer gestellt: Mit Einnahmen im voraussichtlich niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbereich aus der Pen-Produktion dürften die Umsätze von hier aus weiter steigen, so der Analyst. 2026 könnte der Konzern womöglich schon etwa 200 bis 300 Millionen Euro in diesem Bereich umsetzen - was bis zu einem Sechstel des gesamten Konzernumsatzes aus dem vergangenen Jahr entspräche.

Auf Basis solcher Annahmen traut der Branchenkenner Gerresheimer zunehmend zu, das mittelfristige konzerneigene Ziel von jeweils mehr als zehn Prozent Umsatzplus erreichen zu können. Auch seien die Prognose einer bereinigten Betriebsmarge bei 23 bis 25 Prozent durch den verbesserten Mix und ein Zuwachs um mehr als zehn Prozent beim Gewinn je Aktie (EPS) zunehmend realistisch. Der Experte erhöhte daher entsprechend seine Prognosen für das bereinigte Ebitda im Jahr 2025.

Den Vorteil für Anleger, die auf GLP-1 setzen wollen, sieht Adlington auch in der bei Gerresheimer im Vergleich zu den Herstellern Novo Nordisk und Eli Lilly weitaus günstigeren Bewertung. Den deutlichen Abschlag zum Sektor hatte Adlington in der jüngsten Vergangenheit wegen des schwachen Barmittelflusses noch als angemessen verteidigt.

Inzwischen ist er optimistischer: Nach einem voraussichtlich negativen Barmittelfluss 2023 und einem "so gerade" ausgeglichenen Stand im kommenden Jahr dürfte der Wendepunkt kommen, sobald das erhoffte Umsatzwachstum einsetze und der Konzern seine Investitionen zurückfahre.

Erst vor wenigen Tagen hatte Analyst Falko Friedrichs von der Deutschen Bank ebenfalls auf das GLP-1-Potezial verwiesen und das Kursziel für Gerresheimer von 90 auf 110 Euro und die Einstufung auf "Buy" bestätigt.

Gemäß der Einstufung "Overweight" geht JPMorgan davon aus, dass sich die Aktie in den kommenden sechs bis zwölf Monaten besser als der jeweilige Sektor entwickeln wird./tav/ag/mis

Analysierendes Institut JPMorgan.