London/Berlin (Reuters) - Die schlechtere wirtschaftliche Lage in Europa hat die Nachfrage nach Flügen bei den Lufthansa-Konkurrenten Ryanair, Easyjet und der British-Airways-Mutter IAG bisher nicht gebremst.

Derzeit seien die Buchungen für Herbst- und Weihnachtsferien stärker als erwartet und sogar höher als vor der Corona-Krise, sagte Ryanair-Chef Michael O'Leary der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag in Berlin. "Wir hatten gedacht, sie würden nachlassen." Die Ticketpreise könnten im mittleren bis höheren einstelligen prozentualen Bereich steigen - zuletzt war er nur von drei bis vier Prozent ausgegangen. Er mache sich zwar Sorgen, dass die Verbraucher weniger Geld für Reisen übrig hätten. Bis jetzt gebe es dafür aber keine Anzeichen, ergänzte O'Leary.

Auch der britische Billigflieger Easyjet geht von einer stabilen Nachfrage im Winter und im nächsten Sommer trotz der Belastung des Konsums durch hohe Inflation aus. Es herrsche zwar Unsicherheit, aber Urlaub und Reisen hätten weiterhin höchste Priorität bei den Verbrauchern, erklärte Easyjet-Chef Johan Lundgren. Die anziehende Nachfrage nach Flügen im Sommer 2023 stimme ihn zuversichtlich. Auch bei Easyjet übertreffen die Buchungen derzeit das Vorkrisenniveau. Die Flugpreise seien robust. Im ersten Quartal des seit Oktober laufenden Geschäftsjahres plant Easyjet ein Angebot von 20 Millionen Sitzen - 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, wenn auch erst 83 Prozent der Vorkrisenkapazität. Europas führender Billigflieger Ryanair beförderte derweil mit rund 33 Millionen Fluggästen im August und September so viele wie nie zuvor.

Der britisch-spanische Luftfahrtkonzern IAG äußerte sich ebenfalls zuversichtlich: Die Frühbuchungen seien auf dem für diese Jahreszeit erwarteten Niveau - "ohne Anzeichen einer Schwäche." Nach einem Verlust in der Corona-Krise im Vorjahr rechnet der Mutterkonzern von British Airways, Iberia und Aer Lingus im Sommerquartal 1,2 Milliarden Euro Betriebsgewinn.

Auch die deutschen Reiseveranstalter Alltours und TUI machen bisher kein Ende der Erholung der Nachfrage aus. "Das Reiseaufkommen im Oktober ist deutlich höher als erwartet", erklärte Alltours-Chef Willi Verhufen. Ziele rund ums Mittelmeer seien für den Kurzurlaub in den Herbstferien beliebt. "Reisen behält auch in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten eine hohe Priorität bei den Menschen", sagte TUI-Deutschland-Chef Stefan Baumert.

ANGST VOR ENERGIEPREISSCHOCK

Analysten sind trotz der optimistischen Aussagen von Airline-Managern skeptisch: "Die Nachfrage im Winter ist sehr unsicher vor dem Hintergrund schrumpfender Einkommen der Verbraucher, und das lastet auf dem Kaufinteresse der Investoren an dem Sektor", schrieben die Branchenkenner von Bernstein Research. Easyjet-Aktien verloren in den vergangenen sechs Monaten fast die Hälfte ihres Wertes. Die Reiselust könne nachlassen, wenn den Konsumenten im Winter die hohen Energierechnungen ins Haus flatterten. Es sei gut möglich, dass die Fluggesellschaften in den kommenden Monaten ihre Flugpläne wieder ausdünnten.

Im Sommerquartal konnten die Airlines wegen des Personalmangels im gesamten Flugbetrieb nicht so viele Maschinen in die Luft bringen wie geplant. Da dies auf eine aufgestaute hohe Reisenachfrage nach der Pandemie traf, konnten sie nach Einschätzung von Bernstein Research aber gestiegene Treibstoffkosten über höhere Ticketpreise ausgleichen. Das starke Sommerquartal konnte bei Easyjet das Minus, das von massiven Flugstreichungen im Frühjahr und Corona-Reiserestriktionen verursacht worden war, nicht völlig ausbügeln. Von Juli bis September flogen die Briten einen Vorsteuergewinn von 685 Millionen Pfund (gut 780 Millionen Euro) ein. Für das vergangene Geschäftsjahr rechnet die Airline nach vorläufigen Zahlen mit einem Vorsteuerverlust von 170 bis 190 Millionen Pfund.

(Geschrieben von Ilona Wissenbach, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

- von Klaus Lauer und Sarah Young