Von Jon Sindreu

NEW YORK (Dow Jones)-Wegen der Hü- und Hott-Gangart bei Wiedereröffnung der europäischen Grenzen müssen die Fluggesellschaften improvisieren. Zuletzt gaben die Aktien von Easyjet nach, nachdem der britische Billigflieger einen Vorsteuerverlust von 701 Millionen Pfund, oder umgerechnet rund 812 Millionen Euro, für die sechs Monate bis März gemeldet hatte. Investoren schienen enttäuscht zu sein, dass Easyjet keine Prognose für den Sommer abgab und erklärte, dass es nur mit 15 Prozent seiner Kapazität für 2019 im laufenden Quartal fliegen werde.

Anfang dieser Woche hatte bereits Europas führender Billigflieger Ryanair klargestellt, dass die Buchungen im Jahr 2021 wahrscheinlich am unteren Ende der zuvor geschätzten Spanne von 80 bis 120 Millionen Passagieren liegen werde. Während sich der US-Markt normalisiert, erfolgen die Buchungen in Europa immer noch extrem kurz vor dem Abflug. Die irische Fluggesellschaft sagte, dass nur 20 Prozent der Sommersitze gebucht seien, verglichen mit etwa 50 Prozent zum gleichen Zeitpunkt in einer normalen Saison.

So liegen die geplanten Sommerkapazitäten, die von den Fluggesellschaften an die Datenanbieter weitergegeben werden, immer noch nur geringfügig unter dem Niveau von 2019. Aber diese Sitze könnten leicht storniert werden, wenn sich Covid-19-Varianten ausbreiten oder Regierungen Grenzbeschränkungen aufrechterhalten. Die langsame Einführung des Impfstoffs hat einige Behörden dazu gezwungen, ein wechselndes Potpourri von Reiseverboten zu verhängen.

Länder wie Frankreich, Italien, Griechenland und Spanien werden von den urlaubshungrigen Briten noch als "bernsteinfarben" - also kritisch - eingestuft. Zuletzt sagte der britische Premierminister Boris Johnson, dass Reisen auf zwölf Ziele beschränkt werden sollten, die am 7. Mai auf "grün" gesetzt wurden. Im benachbarten Europa qualifizierten sich nur Portugal und die winzige Exklave Gibraltar.


 Hoffnung auf besser als erwartete Situation 

Die Unsicherheit, die sich über Europa abzeichnet, bedeutet aber auch zugleich, dass die Situation am Ende besser ausfallen könnte, als sie derzeit aussieht. So hat sich die EU jüngst darauf geeinigt, geimpfte Reisende in ihre Gemeinschaft zu lassen. Es scheint unwahrscheinlich, dass Großbritannien Länder wie Italien und Spanien noch lange auf der gelben Liste behalten wird.

Die Fluggesellschaften reagieren darauf mit mehr Flexibilität denn je. Easyjet fügte kurz nach der Ankündigung Großbritanniens 100.000 Sitze nach Portugal hinzu und ist bereit, im Laufe des Sommers Anpassungen vorzunehmen, einschließlich des Einsatzes von bis zu 90 Prozent der Flotte, so CEO Johan Lundgren. Laut den Daten von Oliver Wyman's Planestats haben Europas Billigflieger im Jahr 2021 rund 1.270 neue Routen geplant, die nicht auf ihrem Routenplan für 2020 standen, und 1.437 gestrichen. Im Vergleich zu den Netzen von 2019 sind die Unterschiede sogar noch größer. Dieses Niveau der Pandemieabwanderung ist viel größer als in jeder anderen Region oder generell in der Historie der Fluggesellschaften.


 Markt ist heiß umkämpft 

Zu den neuen Nonstop-Strecken mit den größten Kapazitätserweiterungen gehören Wizz Air, die zwischen London Luton und dem zypriotischen Larnaca fliegt. Außerdem gibt es Norwegian Air Shuttle, die mit Finnair konkurrieren will und Helsinki mit Málaga und Alicante verbindet, sowie eine Reihe von Billigflügen nach Italien, Spanien, Portugal und Griechenland, die von Ryanair angekündigt wurden. Der Kampf um die wenigen lukrativen Märkte, die sich auftun, wird jedoch ein Verdrängungskampf sein, der das Gewinnpotenzial der Fluggesellschaften einschränkt. Sowohl Easyjet als auch Wizz planen jetzt zum Beispiel viel Kapazität auf einer neuen Route von Mailand nach Sharm El Sheikh, Ägypten zu riskieren.

Der Anteil der Flughafenverbindungen, die von den drei größten europäischen Billigfliegern ohne Konkurrenz geflogen wird, und in den vergangenen Jahren bereits rückläufig war, driftet noch weiter nach unten. Während die Pandemie viele Fluggesellschaften zum Rückzug veranlasst hat, sehen die Billiganbieter die Krise als Chance, Marktanteile zu gewinnen. Jetzt wo der Reiseverkehr wieder anläuft, plant Easyjet, sich weiterhin auf die wichtigsten Flughäfen zu konzentrieren. Das ist Teil einer langfristigen Strategie, Geschäftsreisende von den traditionellen Fluggesellschaften wegzulocken. Für Investoren, die bereit sind, auf eine chaotische Wiedereröffnung zu wetten, könnten Europas Billigfluglinien einige Vorteile bieten. Sie müssen sich nur vor den vielen Falltüren des Marktes in Acht nehmen.

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May 20, 2021 10:36 ET (14:36 GMT)