HANNOVER/BERLIN (dpa-AFX) - Die beschlossene Reform der Ökostrom-Förderung in Deutschland muss aus Sicht von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im neuen Jahr noch einmal in wesentlichen Punkten nachjustiert werden. "Was jetzt auf dem Tisch liegt, ist sicher ein Fortschritt, aber leider noch nicht ausreichend", sagte der Regierungschef des wichtigsten Windkraft-Landes der Deutschen Presse-Agentur in Hannover.

Dringend gebraucht werde eine realistische Prognose zum erwarteten Strombedarf im Jahr 2030. "Es ist eine Fehleinschätzung zu meinen, in zehn Jahren würde genauso so viel Strom benötigt werden wie heute", meinte Weil. "Wir können doch nicht ernsthaft die Klimaziele verschärfen und gleichzeitig davon ausgehen, dass der Energiebedarf auf dem gleichen Niveau bleibt." Niedersachsen ist gemessen an der installierten Gesamtleistung der größte deutsche Windkraft-Standort.

Die zum Jahreswechsel geltende Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) soll den zuletzt lahmenden Ausbau der Stromerzeugung aus regenerativen Quellen wie Wind, Sonne, Wasser und Biomasse anschieben. Unter anderem wird der Weiterbetrieb alter Windräder, die nach 20 Jahren eigentlich aus der Förderung gefallen wären, erleichtert. Ziel ist es außerdem, die Hürden für den Neubau oder die Erneuerung von Windkraft- und Solaranlagen zu senken.

Auf breite Kritik stoßen jedoch die bisherigen Annahmen zum künftigen Stromverbrauch. "Digitalisierung, Elektroautos, Kohleausstieg, Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft: All das wird dazu führen, dass der Strombedarf enorm anwachsen wird", so Weil. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) müsse dafür endlich ein schlüssiges Konzept vorlegen - "sonst wird es nichts mit dem Klimaschutz". Zu einer genaueren Bedarfsprognose sei eine Entscheidung erst einmal vertagt worden. "Das löst aber das Problem nicht."

Solle das Ziel von 65 Prozent Strom aus regenerativen Quellen bis 2030 Bestand haben, dann seien die derzeit geplanten Ausbaupfade unzureichend. "Wir werden die erneuerbaren Energien sehr viel konsequenter und sehr viel schneller ausbauen müssen, sonst erreichen wir die Klimaschutzziele nicht", warnte Weil. "Beim Klimaschutz haben wir keinen Mangel an Zielen, aber an Konzepten und Lösungen."

Positiv sehe er, dass das neue EEG - nach teils heftiger Kritik aus den Ländern - nun schon eine bedingte Anschlussförderung für Altanlagen ermögliche: "Ich finde es gut, dass man Anreize dafür schafft, abgeschriebene Windkraftanlagen nicht in die Unwirtschaftlichkeit abgleiten zu lassen. Andernfalls käme es statt eines Zubaus von Windkraft zu einem dramatischen Rückbau - ein in Zeiten des Klimawandels widersinniges Ergebnis."

Eine Herausforderung bleiben nach Einschätzung des niedersächsischen Regierungschefs bürokratische Hemmnisse. Zwar gebe es etwa bei Raumordnungs- und Naturschutz-Regelungen rund um den oft umstrittenen Neu- oder Ausbau von Windkraftprojekten einige Fortschritte. "Auch Änderungen im Landes-Raumordnungsprogramm sind vorbereitet worden. Aber noch bleibt auch bei uns manches zu tun", räumte Weil ein. Auf Bundesebene seien ebenfalls weitere Gesetzesänderungen nötig.

Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) bekräftigte, die Aufnahme des Klimaschutzes als Ziel in die Landesverfassung mache ein Festhalten an ehrgeizigeren Zielen notwendig. "Die Reform ist ein guter Kompromiss, ja", meinte er zum neuen EEG. Aber Signale für mehr Klimaschutz müssten mit noch mehr Konsequenz als bisher gesetzt werden. "Da hätte ich von Altmaier mehr erwartet."/jap/DP/zb