BERLIN (dpa-AFX) - CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, die Pläne für eine Atomkraft-Reserve zu stoppen. "Der Bundeskanzler muss jetzt reagieren und die Entscheidung umgehend zurücknehmen und den vollen Weiterbetrieb der Kernkraftwerke ermöglichen", verlangte Dobrindt in der "Augsburger Allgemeinen" (Mittwoch). "Der Bundeskanzler sollte bei (Wirtschaftsminister) Robert Habeck den Stecker ziehen."

Allerdings hatte sich Scholz erst am Dienstagabend angesichts losgebrochener Kritik hinter Habecks Pläne gestellt. Dieser will zwei der drei noch produzierenden Atomkraftwerke nach der gesetzlich festgelegten Abschaltung zum Jahresende noch bis Mitte April in Reserve halten. Sie sollen wieder in Betrieb gehen, falls sich mittelfristig eine Situation abzeichnet, die die Stabilität des Stromnetzes gefährden könnte. Vorgesehen sind dafür die bayerische Anlage Isar 2 und das AKW im baden-württembergischen Neckarwestheim.

Der Isar-2-Betreiber, die Eon-Tochter Preussenelektra, hat in einem Brief an Habeck nun aber angegeben, ein Hoch- und Runterfahren sei technisch nicht möglich. Dies ist der Aufhänger für Dobrindts Forderung an Scholz, doch noch beizudrehen. Allerdings hatte Habeck schon deutlich gemacht, dass ein mehrfaches Hoch- und Runterfahren gar nicht geplant sei - lediglich eine einmalige Entscheidung über den Bedarf und dann ein Wiederanfahren. Zudem habe das Unternehmen für den Fall eines mehrmonatigen Streckbetriebs über den Jahreswechsel hinaus zuvor selbst einen kurzzeitigen Stillstand für nötig gehalten.

Der Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter, ein Grüner wie Habeck, vermutet ein anderes Motiv hinter dem Brief des Preussenelektra-Chefs zur geplanten Reserve. "Der hat natürlich ein total hohes Interesse, das so nicht zu machen, weil: Die Atomkraftwerke sind abgeschrieben - und der verdient unglaublich viel Geld damit, wenn er in den automatischen Streckbetrieb kommt", sagte er dem Fernsehsender Welt.

Der Präsident des Verbands der chemischen Industrie (VCI), Evonik-Chef Christian Kullmann, forderte Habeck auf, alle drei AKW weiter laufen zu lassen. "In der aktuellen Lage dürfen wir es uns nicht erlauben, Kapazitäten zur Stromerzeugung vom Netz zu nehmen", sagte er der "Rheinischen Post" (Donnerstag). Der von Habeck initiierte Stresstest für die Strominfrastruktur habe gezeigt, dass es durchaus Risiken für großflächige Stromausfälle gebe./and/DP/stk