Der langjährige Wirecard-Wirtschaftsprüfer EY will großangelegten Bilanz-Betrügereien künftig schneller auf die Spur kommen - auch mit technischer Hilfe.

"Das öffentliche Interesse verlangt eindeutig, dass viel mehr getan wird, um Betrug im frühesten Stadium aufzudecken", schrieb EY-Chef Carmine Di Sibio in einem Brief an die Kunden der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, der Reuters seit Dienstag vorliegt. Die Bilanzprüfer müssten dabei eine größere Rolle spielen und sich mehr technischer Hilfsmittel bedienen. Die Ansprüche seien höher als man bisher in der Branche geglaubt habe.

EY (Ernst & Young) war unter Beschuss geraten, nachdem sich herausstellte, dass der Finanzdienstleister Wirecard offenbar über Jahre große Teile der Bilanz gefälscht hatte, ohne dass das den Prüfern aufgefallen war. Sie hatten die Bilanzen von Wirecard seit 2009 testiert. Erst nach einer Sonderprüfung durch den Rivalen KPMG schauten die EY-Experten genauer hin und entdeckten ein 1,9 Milliarden Euro schweres Bilanzloch. "Auch wenn wir den Betrug erfolgreich enthüllt haben, bedauern wir, dass das nicht früher geschehen ist", entschuldigte sich Di Sibio bei den Kunden und Anlegern. Bei Wirecard habe ein "hochkomplexes kriminelles Netzwerk" alle bewusst getäuscht: Investoren, Banken, Aufsichtsbehörden, Anwälte, Sonderprüfer - "und uns selbst", schrieb der EY-Chef. Die laufende Überprüfung durch die Wirtschaftsprüfer-Aufsicht in Deutschland werde noch Monate dauern.

EY ist eine der vier größten Wirtschaftsprüfungsfirmen weltweit und bangt angesichts des Skandals um Aufträge. Die von Wirecard in Mitleidenschaft gezogene Investment-Tochter der Deutschen Bank, DWS, will sich bereits einen anderen Abschlussprüfer suchen. Die Deutschland-Tochter von EY stellte sich am Dienstag vor ihre Mitarbeiter und wies Vorwürfe, die Prüfer hätten mit Wirecard gemeinsame Sache gemacht, zurück: "Nach unseren derzeitigen Erkenntnissen haben unsere Kollegen die Prüfungshandlungen professionell und nach besten Wissen und Gewissen durchgeführt."

Di Sibio versprach, EY Deutschland "alles zur Verfügung zu stellen, was sie braucht, um die berechtigt hohen Ansprüche der Kunden und anderen Interessengruppen weiter zu erfüllen". Unter anderem sollen Datenanalysen helfen, Betrugsfällen auf die Spur zu kommen. Die Prüfer sollen sich weniger auf die Angaben der geprüften Unternehmen zu ihren Bankdaten verlassen. Zudem sollen sie sich in kriminalistischen (forensischen) Ermittlungsmethoden weiterbilden.