BASEL/ROZZANO (dpa-AFX) - Der für seine Duty-Free-Shops bekannte Schweizer Reisebedarfshändler Dufry will den italienischen Autobahn-Raststättenbetreiber Autogrill übernehmen. Mit einem Umsatz von rund 6,5 Milliarden Euro würde damit einer der weltgrößten Einzelhändler im Reisebereich entstehen, teilten beide Unternehmen in der Nacht zum Montag mit. Schwerpunkt soll das Geschäft an Flughäfen bleiben. An der Börse wurden die Nachrichten gemischt aufgenommen. Ungewöhnlicherweise stiegen die Papiere des potenziellen Käufers Dufry, während die Anteile des umworbenen Unternehmens Autogrill nachgaben.

Das liegt daran, dass Dufry weniger bietet, als Autogrill zuletzt an der Börse wert war. Ein Erfolg der Übernahmen erscheint trotzdem als wahrscheinlich, da der Autogrill-Mehrheitsaktionär Edizione seinen gesamten Anteil in Höhe von 50,3 Prozent verkaufen will. Hinter Edizione steckt die italienische Milliardärsfamilie Benetton. Im Gegenzug soll sie dafür eine 20- bis 25-prozentige Beteiligung an Dufry erhalten und würde mit einem Schlag zum größten Aktionär des Unternehmens aufsteigen. Die Behörden müssen dem Deal noch zustimmen.

Die tatsächliche Verteilung hänge davon ab, wie viele Autogrill-Anteilseigner sich für den Erwerb von Dufry-Aktien entscheiden, hieß es weiter. Denn die Schweizer wollen auch die restlichen Anteile und je Autogrill-Papier 0,158 Dufry-Scheine bieten. Alternativ sollen die Autogrill-Aktionäre eine Barzahlung von 6,33 Euro je Papier wählen können. Sollten Dufry genügend Autogrill-Anteile angeboten werden, sollen die Aktien vom Handel an der Euronext in Mailand genommen werden.

An der Börse fiel der Kurs der Autogrill-Aktie um rund sieben Prozent auf 6,35 Euro und damit in die Nähe des Barangebots. Der Börsenwert des italienischen Unternehmens lag damit zuletzt bei etwas mehr als 2,4 Milliarden Euro. Gut kam die Nachricht dagegen bei den Dufry-Anteilseignern an.

Die Aussicht auf einen neuen Großaktionär beflügelte den Kurs der Aktie. Der Börsenwert des Unternehmens zog um circa acht Prozent auf umgerechnet rund 3,1 Milliarden Euro an. Derzeit sind die größten Anteilseigner des Schweizer Unternehmens der Finanzinvestor Advent, Qatar, der chinesische Handelsgigant Alibaba und der Luxusgüterkonzern Richemont.

Beide Unternehmen gehen davon aus, durch den Zusammenschluss jährliche Kosten von rund 85 Millionen Schweizer Franken (85,4 Mio Euro) einzusparen. Denn in einer Vielzahl an Ländern wie etwa den USA, Kanada, China, Deutschland, Frankreich, Italien und Australien sind beide Unternehmen bislang gemeinsam vertreten.

Im Fokus steht weiter vor allem der nach Ansicht beider Unternehmen "hochattraktive" Markt in den USA. Zudem will das neue Unternehmen seine Präsenz in Lateinamerika, dem Nahen Osten und der Region Asien-Pazifik ausweiten. Besonderes Augenmerk legt Dufry dabei auf China, wo es noch viel Potenzial sieht: Denn Fluggäste aus China und Asien-Pazifik machen nach einer Analyse, die Dufry heranzieht, rund 37 Prozent des Passagieraufkommens weltweit aus. Der Konzern rechnet damit, durch das Zusammengehen rund 2,3 Milliarden Passagieren weltweit ansprechen zu können.

Insgesamt sollen dann 5500 Shops und 350 bediente Flughäfen im Unternehmensportfolio zu finden sein. "80 Prozent der Geschäfte der kombinierten Gruppe wollen wir an Flughäfen machen", machte Dufry-Chef Xavier Rossinyol in einer Telefonkonferenz klar, der auch bei dem fusionierten Unternehmen die Führung verantworten soll. Er rechne fest damit, dass sich das Flughafengeschäft im weiteren Verlauf der Pandemie erholen werde. Einnahmen durch Läden an anderen Reisewegen wie Häfen oder Autobahnen seien hingegen nur als zusätzliches, untergeordnetes Segment anzusehen. Rossinyol geht nicht davon aus, dass diese ein besonderes Entwicklungspotenzial aufweisen.

Doch auch aus einer anderen Perspektive will Dufry sein Geschäftsmodell diversifizieren. So will der Konzern neben den traditionellen Flughafengeschäften nun auch Restaurants und Cafés betreiben und sich damit eine neue Einnahmequelle sichern. Denn während nur 15 bis 20 Prozent der Passagiere etwa in einem Duty-Free- und Duty-Paid-Shop einkaufen, suche rund jeder Dritte eine Möglichkeit zum Essen und Trinken, erläuterte Rossinyol. Als Partner arbeitet Autogrill unter anderem mit bekannten Marken wie Burger King, McDonald’s, Starbucks, dem Burgerbrater Shake Shack oder der Burritokette Chipotle zusammen./ngu/AWP/zb/mis