Die Finanzmärkte erlebten aufgrund der steigenden Anleiherenditen und der entschiedenen Straffungsmaßnahmen einiger Notenbanken die zweite Woche in Folge einen starken Einbruch. Auch die geopolitischen Spannungen und Rezessionsängste dämpften die Stimmung. Die Volatilität hat deutlich zugenommen und spiegelt die Zurückhaltung der Anleger wider. Diese Entwicklung dürfte sich auch in den kommenden Wochen fortsetzen, denn die Berichtssaison für das 3. Quartal steht unmittelbar bevor.
Wochenperformance*
STOXX EUROPE 600
390.40  -4.37%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
3693.23  -4.65%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
27153.83  -1.50%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1643.00$  -2.08%
Chart GOLD
LONDON BRENT OIL
86.71  -5.65%
Chart LONDON BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
0.97$  -3.31%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

Tops

Fortum
(+27 %): Die Entscheidung der deutschen Bundesregierung zur Verstaatlichung von Uniper, der Tochtergesellschaft des finnischen Energiekonzerns Fortum, war eine enorme Erleichterung für die zukünftige Ex-Muttergesellschaft. Der Preis für die Transaktion ist zwar niedrig, doch den Anlegern ist ein harter Schnitt lieber als ein Schrecken ohne Ende.

Cano Health (+25 %): Es gibt nichts Besseres als Spekulationen, um einer Flautewoche an den Märkten zu entgehen. Humana und CVS Health sind wohl im Rennen für eine Übernahme des Seniorenheimbetreibers. Cano wird seit Monaten vom Aktivistenfonds Third Point (6,4 % des Kapitals) unter Druck gesetzt, der eine Übernahme der Gesellschaft erreichen will.

OVS (+17 %): Die italienische Modemarke hat für das 2. Quartal gute Ergebnisse veröffentlicht. Analysten begrüßen die Qualität des Wirtschaftsmodells, das Preiserhöhungen ermöglicht, ohne die Nachfrage zu sehr zu belasten.

Rheinmetall (+11 %): Der Krieg in der Ukraine geriet mit der von Wladimir Putin bekannt gegebenen Mobilisierung der russischen Reservisten zurück in die Schlagzeilen, weshalb Titel aus dem Verteidigungssektor bei Anlegern wieder gefragt sind. Auch BAE Systems, Leonardo und Thales stießen diese Woche bei den Anlegern sichtlich auf Interesse.

General Mills (+7 %): Der amerikanische Lebensmittelkonzern, vor allem bekannt für seine Marken Cheerios, Häagen-Dazs, Old El Paso und Yoplait, hat seinen Ausblick für das Geschäftsjahr zum 31. Mai 2023 nach oben korrigiert.

Flops

Advanced Micro Devices (-9 %): Technologiewerte haben eine schwierige Woche hinter sich, und erst recht die Halbleiterbranche. AMD verzeichnet seit Beginn des Jahres einen Rückgang von mehr als 50 %.

Uber (-11 %): Ende letzter Woche ist der Konzern Opfer einer Cyberattacke geworden. Das Unternehmen bezichtigt einen Hacker, der mit der Gruppe Lapsus$ in Verbindung stehen soll. Uber musste wegen des Angriffs mehrere interne Systeme abschalten. Konkrete Informationen zu den Schäden wurden bislang noch nicht veröffentlicht.

Ford Motor (-13 %): Der Autobauer hat vor enttäuschenden Ergebnissen im 3. Quartal gewarnt. Die steigenden Lieferantenkosten (rund 1 Mrd. USD mehr als erwartet) werden voraussichtlich die Quartalsergebnisse beeinträchtigen, und bestimmte Fahrzeuge können aufgrund von Lieferengpässen nicht komplett fertiggestellt werden.

Crédit Suisse (-13 %): Die Schweizer Bank befindet sich weiterhin inmitten heftiger Turbulenzen. Nach den häufigen Fehlschlägen der letzten Jahre gibt es neue Gerüchte über die zukünftige Strategie. Kapitalerhöhung, Ausstieg aus dem US-Geschäft, Aufspaltung der Investmentbank ... All diese Spekulationen belasten den Aktienkurs.

SUSE (-24 %): Das Unternehmen, das Softwarelösungen auf Basis von Linux anbietet, enttäuschte die Anleger mit mäßigen Ergebnissen und niedrigeren Wachstumsprognosen für 2022. Jefferies stellt nach der Bekanntgabe der Zahlen fest, dass die makroökonomischen Faktoren zwar eine Rolle spielen, die Probleme aber auch auf unternehmensspezifische Faktoren zurückzuführen sind, wie eine erhöhte Abwanderungsquote und Verluste bei der Kundenkonversion von der kostenlosen Version von Rancher hin zur Kaufversion.
Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Energie: Die Zinsschritte der US-Notenbank Fed und anderer Währungshüter belasten risikoreiche Anlagen wie beispielsweise Rohöl. Aus Sicht der Marktteilnehmer ist das Glas weiterhin halb leer. Sorge bereiten vor allem die Auswirkungen, die eine nun allgemein restriktivere Geldpolitik auf die Nachfrage haben könnte. In diesem Kontext rücken die erneut zunehmenden Spannungen in der Ukraine in den Hintergrund. Da der Kreml Referenden zur Annexion von vier ukrainischen Regionen sowie die Mobilisierung von 300.000 Reservisten plant, dürfte die EU weitere Sanktionen gegen Moskau erwägen, darunter auch eine Deckelung der Preise für russisches Rohöl. Allerdings ist ein entsprechender Konsens aufgrund der Position einiger Länder - wie beispielsweise Ungarn - womöglich nur schwer erreichbar. Die Nordseesorte Brent notiert derzeit bei rund 85 USD, während die US-Referenzsorte WTI aktuell fast 7 USD niedriger mit 78 USD pro Barrel gehandelt wird.

Metalle: Die Aufwertung des Dollars belastete Industriemetalle mit Ausnahme von Nickel und Zinn, die sich bei 24.560 USD bzw. 21.650 stabilisierten. Die Prognosen von Rio Tinto haben die Marktstimmung ebenfalls verschlechtert. Der Bergbaukonzern erwartet aufgrund der Preisexplosion, die eine schwächere Metallnachfrage zur Folge haben könnte, kurzfristig ein "schwieriges" Umfeld für Kupfer. Die Zinkbestände an der LME sanken weiter und erreichten ihren tiefsten Stand seit Februar 2020. Bei den Edelmetallen zeigte sich Gold relativ widerstandsfähig: Der Preis stabilisierte sich im Bereich von 1.670 USD.

Agrarprodukte: Die zunehmenden Spannungen in der Ukraine stützten den Weizenpreis, da damit neue Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des Abkommens über die Getreidelieferungen über das Schwarze Meer aufkamen. Weizen notiert in Chicago bei nahezu 900 Cent, Mais bei 680 Cent je Scheffel.

Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Jetzt dürften es wirklich alle begriffen haben: Die US-Notenbank Fed hat erneut und noch energischer darauf hingewiesen, dass die Eindämmung der Inflation ein schwieriger, komplexer und langwieriger Weg sein wird. Auch andere Länder haben inzwischen an der Zinsschraube gedreht - von Norwegen über die Schweiz bis hin zu Großbritannien. Diese restriktive Geldpolitik schlägt sich bereits in den Konjunkturindikatoren nieder, doch noch nicht in den Preisen - was so manchen Anleger verzweifeln lässt.

Devisen: Diese Woche gab es zwei wichtige Neuigkeiten: Zum einen testete der Euro seinen Boden gegenüber dem US-Dollar, denn für 1 Euro bekam man nur noch knapp 0,98 USD. Zum anderen will die Bank of Japan den Absturz des Yen gegenüber dem Greenback (-25 % seit Jahresbeginn) stoppen. Zum ersten Mal in diesem Jahrtausend intervenierte sie am Markt, um die Marke von 145 JPY für 1 USD zu stützen. Für die Devisenhändler ist dies keine sonderliche Überraschung, doch sie fragen sich, wie die BoJ dem Schock mit der Fortführung ihrer lockeren Geldpolitik begegnen will.

Anleihen: Die Entschlossenheit der US-Währungshüter ließ die letzten Dämme am Anleihemarkt brechen. Die Rendite 10-jähriger US-Treasuries stieg von 3,47 % in der letzten Woche auf 3,77 % am Freitag. Noch immer ist die Zinskurve invers, da 2-jährige Staatsanleihen aktuell mit 4,24 % rentieren. In Europa zeigt sich das gleiche Bild, wobei die Anstiege bei Emittenten im unteren Bereich des Qualitätsspektrums stärker ausfallen: 10-jährige Schweizer Bundesobligationen liegen bei 1,37 %, deutsche Bundesanleihen bei 2,04 %, französische Staatspapiere bei 2,62 % und ihre italienischen Pendants bei 4,31 %. Britische Gilts rentieren aktuell mit 3,76 %.  

Kryptowährungen: Wie auch andere Finanzanlagen stehen Kryptowährungen nach wie vor unter Druck. Der Kurs des Bitcoin liegt unter 19.000 USD (-9 % gegenüber dem Vormonat), der des Ether bei rund 1.290 USD (-18 % gegenüber dem Vormonat).

Termine: Nach unseren Informationen steht in der nächsten Woche an jedem Tag mindestens eine Rede eines Notenbankchefs auf der Agenda. Wem das zu viel des Guten ist, sollte für einige Tage eine Medienpause einlegen. Darüber hinaus werden in den USA einige wichtige Veröffentlichungen erwartet, so die Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter und die Zahlen zum Verbrauchervertrauen (Dienstag) sowie die Daten zur Verbraucherpreisentwicklung (Freitag). In Europa ist am Montag der Ifo-Geschäftsklimaindex für Deutschland an der Reihe, gefolgt von der ersten Inflationsschätzung für den Monat September (Freitag).

Kurs und Volumen
Schwermütige Anlegerstimmung zum Herbstbeginn
Die Notenbanken drehen noch stärker an der Zinsschraube und die Märkte setzen ihre Talfahrt fort. Für den amerikanischen Leitindex S&P 500 ging es im Wochenverlauf fast 4,4 % bergab. Seit Mitte August hat der marktbreite Index, in dem die 500 größten US-Unternehmen vertreten sind, sogar knapp 15 % eingebüßt. Prognosen der US-Notenbank Fed zufolge könnte die Inflation in den USA bis Ende 2022 auf 4,50 % eingedämmt werden. Doch eine hohe Inflation geht nur in seltenen Fällen stetig und vorhersehbar zurück. Auf die unerwartet guten Zahlen des Monats Juli folgte somit im August eine enttäuschende Entwicklung. Das Wachstum dürfte sich höchstwahrscheinlich sehr bald verlangsamen, während sich die Rohstoffpreise in letzter Zeit beruhigt haben. Die Panik greift nun immer mehr auf die Märkte über, sodass sich risikofreudigere Anleger günstig eindecken können. Die risikoscheue Fraktion wird wohl eher auf Anzeichen einer Erholung warten.
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.