Von Anna Hirtenstein

LONDON (Dow Jones)--Wochen nach der Trennung Großbritanniens von der Europäischen Union profitieren britische Unternehmen weiterhin von den günstigeren Kreditkosten auf dem Kontinent. Britische Konzerne mit hoher Bonität nehmen Geld auf, indem sie Anleihen über Tochtergesellschaften in Europa verkaufen. Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft viele dieser Anleihen als Teil ihres 1,85 Billionen Euro schweren geldpolitischen Pandemie-Hilfsprogramms auf, das darauf abzielt, die Kreditmärkte in der Währungszone zu stützen. Diese sehr umfangreichen Käufe haben dazu beigetragen, die Kreditkosten für Regierungen und Unternehmen in der Eurozone zu senken.

In den ersten beiden Februar-Wochen kaufte die EZB Anleihen, die Töchter von in London ansässigen Unternehmen wie dem Ölkonzern BP, dem Konsumgüterproduzenten Unilever und dem Bier- und Spirituosenhersteller Diageo plc ausgegeben haben, wie aus den wöchentlichen Berichten der EZB hervorgeht. Sie legt allerdings nicht offen, wie viel sie für die Anleihen ausgegeben hat.


   BoE kauft weniger und nach anderen Regeln 

Sowohl die Bank of England (BoE) als auch die EZB kaufen Unternehmensanleihen, um das reibungslose Funktionieren der Kreditmärkte aufrechtzuerhalten, nachdem die Coronavirus-Pandemie der Weltwirtschaft einen schweren Schlag versetzt hat. Aber die BoE kauft ein viel kleineres Volumen an Anleihen und stellt strengere Anforderungen.

Außerdem sind die Zinsen auf dem Kontinent niedriger. Die Rendite für Investment-Grade-Unternehmensanleihen lag dort zuletzt bei 0,3 Prozent, verglichen mit 1,7 Prozent in Großbritannien, wie ICE-Indizes zeigen.

Anleihen, die für den Kauf durch die EZB in Frage kommen, können einen leichten Vorteil haben, obwohl die Renditen im Allgemeinen sehr niedrig bleiben, sagt Aurélien Buffault, ein Kreditportfoliomanager bei Meeschaert Asset Management. "Aus Sicht der Emittenten ist es wichtig: Es gibt ihnen Zugang zum Markt für eine lange Zeit." Aus Sicht der Investoren sei allerdings nie vorher sicher, was die EZB kaufe.

Während die EZB nur Staatsanleihen kaufen kann, die von den 19 Mitgliedern der Eurozone ausgegeben wurden, erlauben ihr die bestehenden Regeln den Ankauf von Unternehmensanleihen von im Währungsraum ansässigen Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen.


   Zentralbank als der entscheidende Käufer 

Die Zentralbank sauge derzeit etwa 40 Prozent jeder zulässigen Neuemission auf, sagen Banker. Dies trägt dazu bei, die Kosten für die Kreditaufnahme für eine Vielzahl von Unternehmen zu senken. "Ein Problem für die EZB ist, genug Liquidität dafür zu finden: Es gibt einfach nicht genug Papiere", sagte Buffault.

Im vergangenen Jahr hat die EZB über 67 Milliarden Euro an Unternehmensanleihen sowie 265 Milliarden an Staatsanleihen aufgekauft.

Die Maßnahmen der EZB unterstreichen, dass die Finanzmärkte von den angespannten politischen Beziehungen zwischen Großbritannien und den europäischen Institutionen abgekoppelt sind. Seit die Brexit-Übergangszeit am 31. Dezember endete und die Handelsbeziehungen neu geordnet wurden, sind die beiden Seiten über Impfstoffe, Grenzkontrollen und Unterbrechungen des Warenflusses zerstritten.

"Geldpolitisch macht das überhaupt keinen Sinn", sagt Carsten Brzeski, Chefökonom für die Eurozone bei der niederländischen Bank ING. "Das Kaufprogramm ist offiziell dazu gedacht, einen reibungslosen Übergang der Geldpolitik in der Eurozone zu gewährleisten."


   Hohe Renditedifferenzen zwischen Euro- und Dollar-Emissionen 

Die BP-Anleihen, die von der EZB im Februar gekauft wurden, hatte der Energiekonzern im Dezember begeben. Er hatte 750 Millionen Euro EUR durch den Verkauf von 20-jährigen Anleihen aufgenommen, die eine Emissionsrendite von 0,9 Prozent aufwiesen. Im Vergleich dazu lag die Rendite einer auf Dollar lautenden Anleihe, die von der US-Tochter von BP einige Monate zuvor verkauft wurde, bei 1,7 Prozent, obwohl die Laufzeit der Dollar-Anleihen nur halb so lang war. Auf Pfund Sterling lautende Bonds hat BP seit Mitte 2020 keine emittiert.

"Wenn die EZB ihre Anleihen kauft, gibt es sicherlich einen Preisvorteil", sagte Marc Baigneres, ein regionaler Leiter der Debt Capital Markets bei JPMorgan Chase & Co.

Die EZB kaufte in diesem Monat auch einen Teil der achtjährigen Anleihen, die Diageo im September in einem Volumen von 700 Millionen Euro begeben hatte. Die Rendite der Anleihe lag zum Zeitpunkt der Emission bei 0,125 Prozent. Zeitgleich begab das Unternehmen auch Anleihen über 400 Millionen britische Pfund - mit einer Rendite von 1,25 Prozent.

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(END) Dow Jones Newswires

February 22, 2021 08:56 ET (13:56 GMT)