BERLIN (AFP)--Die vom Berliner Senat eingesetzte Expertenkommission zur Umsetzung des Volksentscheids "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" hält eine Vergesellschaftung von Immobilien für rechtlich möglich. Das Land besitze im Rahmen des Grundgesetzes "die Kompetenz zur Regelung einer Vergesellschaftung von in Berlin belegenen Grundstücken", heißt es in einem Zwischenbericht der Kommission.

Die Vergesellschaftung von "Grund und Boden" nach Artikel 15 des Grundgesetzes fällt demnach unter die sogenannte konkurrierende Gesetzgebung von Bund und Ländern. Da der Bund jedoch hier von seiner Kompetenz bisher keinen Gebrauch macht, besitzt den Experten zufolge das Land die Kompetenz dazu.

Gegenstand der Vergesellschaftung wären laut Bericht die einzelnen Grundstücke und die Wohnbebauung. Diese sei als "wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks" von der Vergesellschaftung erfasst. Noch uneins sind sich die Mitglieder des Gremiums jedoch bei der Höhe einer angemessenen Entschädigung für die Enteignungen.

Einerseits besteht demnach die Auffassung, dass "aufgrund der Besonderheit einer Überführung in Gemeinwirtschaft" der Verkehrswert der Immobilien grundsätzlich nicht den Ausgangspunkt bilden könne. Anderseits werde vertreten, dass dieser Marktwert durchaus den Startpunkt, "wenn auch nicht notwendig den Endpunkt der Überlegungen bilden müsse".

"Die Kommission hat jetzt bestätigt, was mehr als eine Million Menschen schon vergangenes Jahr erkannt haben - Berlin kann enteignen", erklärte Achim Lindemann, Sprecher der Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen", im Anschluss an die Vorstellung des Berichts. Auch der bisher genannten Entschädigungshöhe des Senats habe die Kommission eine Absage erteilt. Der Senat habe keine Ausreden mehr und müsse den Volksentscheid umsetzen.

Anders sieht das der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen BBU: "Wie die Expertenkommission selbst feststellt, handelt es sich bei dem heute vorgelegten Papier nur um einen Zwischenbericht, nicht um ein rechtswissenschaftliches Gutachten", teilte BBU-Vorständin Maren Kern mit. Zentrale Fragen blieben weiterhin völlig offen - allen voran die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, die Finanzierbarkeit und die Rechtssicherheit.

Der Volksentscheid hatte im September vergangenen Jahres zeitgleich mit der Berliner Abgeordnetenhauswahl stattgefunden - eine Mehrheit stimmte damals für die Verstaatlichung von Wohnungen großer Konzerne. Im Anschluss setzte der rot-grün-rote Senat eine Expertenkommission unter dem Vorsitz der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) ein.

Diese soll unter anderem die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Vergesellschaftung klären und innerhalb eines Jahres einen Abschlussbericht abgeben. Das Gremium setzt sich aus 13 Mitgliedern zusammen, vorwiegend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

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December 15, 2022 06:14 ET (11:14 GMT)