- von Nadine Schimroszik

Während die Deutschen immer noch auf eine offizielle Corona-App zur Überwachung der Ansteckungswege warten müssen, sind einige Firmen längst einen Schritt weiter.

Inzwischen können sie sogar unter verschiedenen Software-Anwendungen für die Kontakte-Verfolgung von Covid-19-Infizierten auswählen. Viele Unternehmen sehen in solchen Apps eine Chance, den Betrieb nach der Corona-Zwangspause mit Übersicht wieder hochzufahren und drohende Standortschließungen zu verhindern.

So haben unter anderem der Softwarenanbieter Salesforce, die Digitaltochter der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) sowie die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PWC) eigene Corona-Plattformen entwickelt, die sich speziell an den Bedürfnissen von Firmen orientieren.

Bei der offiziellen Corona-Warn-App des Robert-Koch-Instituts in Zusammenarbeit mit SAP und Deutscher Telekom für alle Bundesbürger steht die Anonymisierung der personenbezogenen Daten im Mittelpunkt, damit keine Überwachung möglich ist. Firmen sind allerdings darauf angewiesen, Infizierte intern konkreter zu identifizieren, um die Ansteckungsketten nachvollziehen zu können. Andernfalls sehen sie die Gefahr, dass mehr Leute als nötig in Quarantäne geschickt oder ganze Standorte wegen Gesundheitsbedenken geschlossen werden müssen - wie es in der jüngsten Vergangenheit etwa bei Schlachthöfen der Fall war.

"Unternehmen müssen jetzt mehr denn je den laufenden Betrieb sichern und Infektionsrisiken frühzeitig erkennen", sagt Rainer Bernnat, Senior Partner bei PwC. Sein Haus bietet neben einer an das Firmensystem anpassbaren App auch eine Administrations- und Analyseplattform an, die sich nicht nur an Firmen, sondern auch an Vereine und Fitnessketten richtet. Wer die App bereits nutzt, will Bernnat nicht verraten. Im eigenen Unternehmen wird der sogenannte Coronamanager eingesetzt, weil es Personalvorstand Marius Möller zufolge auch darum geht, "Vorreiter zu sein". Der Einsatz sei mit den Arbeitnehmern abgestimmt worden.

ARBEITGEBER KÖNNEN APP NICHT ANORDNEN

Dazu rät auch Datenschutzexperte Ingemar Kartheuser von der Anwaltskanzlei Linklaters: "Es sollten Betriebsvereinbarungen oder individuelle Vereinbarungen mit Mitarbeitern getroffen werden, die den Umgang mit der App regeln." Ähnlich wie bei der offiziellen Corona-App, die sich möglichst viele Deutsche auf ihr Smartphone herunterladen sollen, ist auch bei den Firmen-Lösungen die Mitarbeit der Einzelnen nötig. Per bloßer Anweisung sollte eine solche App nicht eingeführt werden, das könne zu "gewissen Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht führen", sagte Kartheuser.

Auch der Chef der Digitalsparte der Boston Consulting Group, Stefan Groß-Selbeck, setzt auf Konsens: "Eine breite Akzeptanz innerhalb der Belegschaft ist Voraussetzung für den Erfolg von Corona-Tracking-Lösungen." Von der eigenen Plattform konnte die BCG-Tochter inzwischen auch einen Dax-Konzern überzeugen, will allerdings noch keinen Namen nennen. Ohne App sei es sehr aufwändig, die physische Anwesenheit von Mitarbeitern an den Standorten manuell zu dokumentieren, sagt Groß-Selbeck.

Die Firmen, die nach anderen Lösungen Ausschau halten und einer Handyapp skeptisch gegenüber stehen, will der Aachener Softwarespezialist Inform für sich gewinnen. "Wir haben zusammen mit der niederländischen Firma SafeDrivePod einen Coronatracer in Streichholzschachtelgröße entwickelt, den man am Körper wie einen Mitarbeiterausweis trägt und der eine Batterielaufzeit von sechs Monaten hat. Er zeichnet anonym Kontakte mittels Bluetooth auf", sagt Geschäftsleitungsmitglied Jörg Herbers. Inzwischen werde das Gerät, von dem 100.000 in Auftrag gegeben seien, unter anderem vom Naturkosmetikhersteller Babor und dem Sicherheitsunternehmen G4S eingesetzt.