BONN (dpa-AFX) - Die Deutsche Telekom navigiert sich mit gewohnter Zuversicht durch die Corona-Krise. Die Netze halten, der Ausbau kommt voran und auch um die Dividende müssen sich Anleger keine Sorgen machen, wie in den vergangenen Wochen aus Bonn zu hören war. Nicht zuletzt ist die Fusion der US-Tochter mit dem kleineren Wettbewerber Sprint nach langer Zitterpartie endlich abgeschlossen. Doch trotz des defensiven Charakters der Branche ist auch die Telekom nicht gänzlich von den derzeitigen Problemen der Wirtschaft gefeit. Wo Analysten Schwierigkeiten sehen, was das Unternehmen macht und wie es um die Aktie steht.

DAS IST LOS BEI DER DEUTSCHEN TELEKOM:

In einer Welt ohne Covid-19 wäre die Telekom vermutlich gerade ganz woanders - zumindest aus Börsensicht. Erst zwei Monate ist es her, als Anleger mit den viel gelobten Geschäftszahlen aus dem vergangenen Jahr sichtlich Vertrauen gefasst und den Kurs auf lange nicht gesehene Höhen getrieben haben. Mit der Aussicht auf die Fusion von T-Mobile US und Sprint war die Euphorie auch davor schon angefacht worden. Konzernchef Tim Höttges hat in den USA Großes vor: Er will den Platzhirschen Verizon und AT&T die Marktführerschaft streitig machen.

Der Deal ist mittlerweile in trockenen Tüchern. Nun fordert allerdings das Coronavirus einen nicht zu kleinen Teil der Aufmerksamkeit für sich ein und lässt den Bonnern als Betreiber kritischer Infrastruktur gleichzeitig noch größere öffentliche Aufmerksamkeit zukommen. Da Schulen und Läden geschlossen sind und Millionen Menschen von Zuhause aus arbeiten, geht vieles nur noch über das Internet. Tarifgespräche mit der Gewerkschaft Verdi führte die Telekom Ende März selbst auf digitalem Wege. Zudem wird in der Freizeit nun mehr gestreamt und online gespielt.

Sorgen vor einer Überlastung der Netze hat der Konzern bereits Mitte März ausgeräumt. Technik-Chef Walter Goldenits bekräftigte dies vor wenigen Tagen erneut in einem Video-Statement: "Die Netze sind stabil", sagte er. Zuletzt sei vor allem ein Anstieg bei Telefonaten aber auch bei Videotelefonie beobachtet worden. Der Datenverkehr an sich verteile sich einigermaßen über den Tag, wobei die Menschen nun aber auch abends länger online seien.

Den Netzausbau treibt die Telekom daneben weiter voran - allerdings unter erschwerten Bedingungen, wie eine Sprecherin sagte. "Viele Faktoren spielen hier eine Rolle, zum Beispiel die Abarbeitung der Genehmigungsverfahren oder auch Kapazitäten bei Baufirmen." Eine seriöse Abschätzung, inwieweit es durch Corona zu Verzögerungen bei der Fertigstellung von einzelnen Bauvorhaben kommt, sei zu diesem Zeitpunkt nicht machbar. In der Vorosterwoche hat das Unternehmen insgesamt 180 LTE-Stationen in Betrieb genommen, in den nächsten vier Jahren sollen bis zu 10 000 neue Mobilfunkstandorte dazukommen, die Hälfte davon im ländlichen Raum.

Der Netzausbau ist für die gesamte Branche eine teure Angelegenheit. Nach eigenen Angaben investiert die Telekom allein in Deutschland pro Jahr gut fünf Milliarden Euro. In den USA wollen die Bonner mit der "New T-Mobile" zudem nun über 40 Milliarden US-Dollar in die Hand nehmen, unter anderem um den neuen Datenfunk 5G zu etablieren. Gleichzeitig treibt der dortige Sprint-Zukauf die Verschuldung nach oben, was dem Konzern bereits eine gesenkte Bonitätsnote von der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) eingebracht hat. Insgesamt hat die Telekom zuletzt für das laufende Jahr 13 Milliarden Euro für Investitionen vorgesehen - ungefähr so viel wie 2019.

Gewinnseitig wollte die Telekom zudem wieder zulegen. Nach einem Sprung beim um Sondereffekte bereinigten Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von mehr als sieben Prozent auf 24,7 Milliarden Euro im Vorjahr sollte es 2020 nochmal um gut drei Prozent nach oben gehen. Der freie Mittelzufluss (Free Cashflow) vor Dividenden und Ausgaben für Mobilfunklizenzen sollte von sieben auf acht Milliarden Euro klettern.

Das kam besonders gut am Aktienmarkt an, sagt der Cashflow doch einiges über die Finanzkraft des Unternehmens unter anderem für künftige Ausschüttungen aus. Mit dem eingetüteten US-Deal gehen Beobachter nun nochmal von einer baldigen Anpassung der Jahresprognose aus. Die Zahlen zum Auftaktquartal will die Telekom am 14. Mai veröffentlichen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

In ihrer grundsätzlichen Haltung sind die meisten Experten der Telekom gegenüber nach wie vor positiv eingestellt und würden zum Kauf der Aktie raten. Vor allem mit Blick auf die Krise verweisen die Analysten oft auf den defensiven Charakter der Branche sowie auf die wichtige Rolle der Netzbetreiber. "In den meisten Ländern, in denen die Telekom aktiv ist, ist sie auch systemrelevant", schrieb jüngst etwa Wolfgang Specht vom Bankhaus Lampe.

Und nachdem die Umsätze der Telekomunternehmen jahrelang unter Druck standen, ist Kostenkontrolle in dem Sektor mittlerweile ein Hauptaugenmerk, wie HSBC-Analyst Adam Fox-Rumley Anfang April erläuterte. Die Dividendenzahlungen der Telekom hält er damit für sicher.

Dass die Bonner von der Corona-Pandemie nun aber im Besonderen profitieren, sehen die Experten eher nicht. Zwar sei es durchaus möglich, dass sich einige Kunden durch den erhöhten Bedarf an Datenvolumen für ein Tarif-Upgrade entscheiden, schrieb Lampe-Experte Specht. Wiederum könnten Kunden - auch aus dem B2B-Bereich - aber in Zahlungsschwierigkeiten geraten. In allen anderen Fällen dürfte das zum großen Teil auf Flatrate-Tarifen basierende Breitband- und Mobilfunkgeschäft kaum erhebliche Umsatzsteigerungen verzeichnen. Darauf wies die Ratingagentur Scope Ende März hin.

Womöglich könnten sich die Mittelabflüsse reduzieren, schrieb Jacques de Greling von Scope. Das wäre etwa der Fall, wenn Regierungen für 2020 geplante 5G-Auktionen ins nächste Jahr verschieben. In Österreich hat zum Beispiel die zuständige Regulierungsbehörde jüngst eine zweite 5G-Lizenzvergabe bis auf Weiteres verschoben. Und in Spanien wurde die Freischaltung eines Teils der zu versteigernden Frequenzen vorerst gestoppt.

Am Ende dürften laut de Greling aber vor allem die Dauer und das Ausmaß der Krise über die Folgen für den Telekomsektor entscheiden. "Eine tiefe und lang andauernde Rezession in Europa könnte die Umsätze der Branche in begrenztem Maße belasten", so der Experte.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Noch kurz vor Beginn des Corona-Crashs hatte die T-Aktie einen guten Lauf. Nach der Bilanzvorlage Mitte Februar zog der Kurs kräftig an und stieg fast bis auf 17 Euro - so teuer war die Aktie seit Mai 2017 nicht mehr. Doch mit dem Corona-Crash, der die Finanzmärkte seit dem 24. Februar fest im Griff hat, ging es auch für die Telekom kräftig nach unten.

Seitdem fiel der Telekom-Kurs um knapp 25 Prozent auf zuletzt etwas unter 12,50 Euro und damit im Rahmen des Gesamtmarkts. Seit Ende 2019 ist die Aktie rund 15 Prozent im Minus, zählt damit aber noch zu den besseren Dax-Titeln. Somit hat sich das Papier zumindest in dieser Zeit nicht als absoluter Fehlgriff erwiesen.

Mittel- und langfristig ist die Aktie eine Enttäuschung für die Anleger. So belaufen sich die Verluste in den vergangenen fünf Jahren auf etwas mehr als 25 Prozent. Die langfristig orientierten Anleger haben noch immer unter den katastrophalen Zeit zu Beginn des neuen Jahrtausends zu leiden.

Nach dem spektakulären Börsengang im Jahr 1996 und zwei weiteren Platzierungen in den Jahren danach, was dem Konzern insgesamt rund 21 Milliarden Euro in die Kasse spülte und dem Staat 13 Milliarden Euro einbrachte, ging es zwar kurz über die Marke von 100 Euro - dann aber mit dem Platzen der Dotcom-Blase schnell unter die Marke von 10 Euro.

Das Papier wurde damit zum Symbol für die schwach ausgeprägte Aktienkultur hierzulande. Von diesem Schock konnte sich das Papier über Jahre nicht erholen - im Gegenteil: Mitte 2012 hatte die Aktie mit Kursen unter acht Euro ihren Tiefpunkt erreicht.

Deutschland hält immer noch knapp 32 Prozent des ehemaligen Monopolisten und Staatskonzerns. Das Paket ist gemessen am aktuellen Börsenwert der Telekom knapp 19 Milliarden Euro wert. Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren darüber spekuliert, wann der Staat weitere Anteile auf den Markt wirft, um Geld ins Haus zu holen.

Zuletzt hatte die FDP dies bei den Verhandlungen über eine sogenannte Jamaika-Koaltion im Herbst 2017 gefordert. Da die Verhandlungen damals platzten und die Staatskassen gut gefüllt waren, war dies zuletzt kein Thema mehr - diese könnte sich jetzt angesichts der vielen Corona-Rettungspakete wieder ändern./kro/men/zb