FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Deutsche Telekom steht kurz vor einer Entscheidung im milliardenschweren Übernahmepoker um den US-Mobilfunker Sprint. Was bei der Telekom und ihrem Amerikageschäft los ist, was Analysten sagen und wie die Aktie läuft.

DAS IST LOS BEI DER DEUTSCHEN TELEKOM:

Viele Monate hatte Telekom-Chef Tim Höttges gebraucht, um Softbank-Chef Masayoshi Son von einem Deal in den USA zu überzeugen. Am Ende hatte Höttges dank der starken Entwicklung von T-Mobile US die gewichtigeren Argumente auf seiner Seite. Der japanische Tech-Mogul stimmte zu, dass die Telekom die Kontrolle über einen gemeinsamen Anbieter bekommt. Wenn das Megaprojekt durchkommt.

Denn mittlerweile zieht sich der komplexe Genehmigungsprozess mehr als ein Jahr lang hin. Die Telekom-Aufsicht FCC hat unter ihrem anbieterfreundlichen Kurs des Chefs Ajit Pai zwar bereits grünes Licht signalisiert. Doch die Kartellabteilung des US-Justizministeriums will den Weg nur freimachen, wenn die Sprint-Prepaidtochter Boost nebst einigen Frequenzen verkauft wird, berichtete die "New York Times".

Einen Interessenten gibt es laut Medienberichten auch, den US-Satelliten-TV-Anbieter Dish. Dessen Chef Charlie Ergen hatte durch Übernahmen und Frequenzauktionen ein stattliches Sammelsurium an Mobilfunkfrequenzen ergattert - daher könnte Dish den Wettbewerb auch bei einer Fusion von Nummer drei und vier auf dem US-Markt hochhalten. Dish selbst steht ebenfalls unter Zugzwang, weil eigene nicht genutzte Mobilfunklizenzen verfallen könnten. Doch Ergen gilt als harter Verhandler. Gewisse Auflagen will er dem Vernehmen nach nicht akzeptieren - zum Beispiel Einschränkungen beim Weiterverkauf.

Und das ist nicht der einzige Stolperstein. Dreizehn US-Bundesstaaten und der Regierungsbezirk von Washington haben Klage gegen die Übernahme eingereicht, weil sie den Wettbewerb behindere und die Preise für die Kunden verschlechtern könnte. Schon mehrfach war eine Fusion der beiden US-Unternehmen an Bedenken dieser Art gescheitert. Ob sich die klagenden Staaten durch einen Dish-Deal besänftigen lassen, ist unklar. Ein langwieriger Rechtsstreit wäre ein großes Hindernis für den Fusionsplan.

T-Mobile-US-Chef John Legere hatte das Fusionsvorhaben gerade als Attacke auf die Platzhirsche Verizon und AT&T zu verkaufen versucht, die in einem Duopol die Kunden mit hohen Preisen schröpften.

Aus geschäftlicher Sicht soll sich das Vorhaben aber vor allem für die Telekom und T-Mobile selbst rechnen. Insgesamt hätte der Zusammenschluss - vor möglichen Verkäufen - rund 130 Millionen Mobilfunkkunden. Weil nicht beide Konzerne große Netze bauen und unterhalten müssten, kalkuliert die Telekom mit Einsparungen von mehr als 6 Milliarden Dollar jährlich. Die Kosten für den Zusammenschluss sollen insgesamt bei rund 15 Milliarden Dollar liegen.

Das Vorhaben lassen sich T-Mobile und die Telekom einiges kosten: Bei Ankündigung war das Aktienpaket, was Sprint-Aktionäre im Tausch für ihre Anteile erhalten sollen, gut 26 Milliarden US-Dollar schwer. Mittlerweile sind die zum Tausch angebotenen T-Mobile-Aktien sogar rund 32,5 Milliarden Dollar (29 Mrd Euro) wert. Die Finanzverschuldung des Bonner Mutterkonzerns würde durch die Übernahme zunächst stark steigen und soll dann durch Wachstum und Synergien abgebaut werden. Die Telekom hat ohnehin viel Geld in ihre US-Tochter gesteckt, um deren aggressives Wachstum zu finanzieren - mit rund 15 Milliarden Dollar steht T-Mobile US bei den Bonnern in der Kreide.

Wenn es nicht klappt, so hieß es bisher von Höttges, dann sei man auch alleine auf dem US-Markt gut aufgestellt und werde weiter attackieren. In den kommenden Tagen wird sich in den Verhandlungen aber vielleicht zeigen, was die Telekom von ihrem ursprünglichen Plan zu opfern bereit ist. Laut einem Bericht des US-Senders CNBC will das Justizministerium in dieser Woche eine Lösung sehen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Die Telekom sei über das vergangene Jahr eine seltene Quelle von strukturell wachsenden Gewinnen geworden, lobte zuletzt JPMorgan-Analyst Akhil Dattani. Auch das zweite Quartal dürfte wieder robust ausgefallen sein - aber die Aufmerksamkeit konzentriere sich derzeit auf den US-Deal.

Berenberg-Experte Usman Ghazi sieht durch die diskutierten Auflagen bei einem Zusammenschluss gedämpfte Aufwärtschancen für die Aktie von T-Mobile US, die um die 78 Dollar notiert. Durch eine Genehmigung drohe den Investoren aber die avisierte Kürzung bei der Telekom-Dividende von rund 30 Prozent. Sollte die Übernahme scheitern, könnte der Kurs der T-Mobile-Aktie auch auf 65 Dollar abrutschen und zugleich die Telekom-Aktie mit rund 1,30 Euro und damit rund 9 Prozent belasten.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Mitte Juli ist die Telekom-Aktie wieder spürbar unter die 15-Euro-Marke gerutscht, die sie seit Ende Mai gehalten hatte. Alles in allem steht der Kurs im laufenden Jahr aber nahezu unverändert da. Allerdings schlägt das Papier den europäischen Branchenindex Stoxx Europe 600 Telecommunications sowohl im laufenden Jahr als auch auf Sicht der vergangenen 12 Monate und 3 Jahre. Von ihrem eigenen Mehrjahreshoch bei 18,145 Euro im Mai 2017 ist die Aktie aber weit entfernt.

Die T-Mobile-US-Aktie hat sich in den vergangenen Jahren für die Telekom prächtig entwickelt. Lag sie Anfang 2015 noch bei gut 27 Dollar, notiert sie heute knapp unter der Marke von 80 Dollar, die sie im Mai auch schon einmal kurz übersprungen hat. Der Marktwert des Unternehmens liegt derzeit bei gut 66 Milliarden Dollar, umgerechnet 58,8 Milliarden Euro. Die Deutsche Telekom insgesamt liegt bei rund 70 Milliarden Euro nur wenig höher.

Die bescheidene Bewertung der Telekom außerhalb der USA hängt auch damit zusammen, dass Anleger die Investitionen auf dem europäischen Heimatmarkt als hoch empfinden und sich der Rendite dieser Ausgaben nicht sicher sind. Die Telekom kämpft im Breitband unter anderem gegen den Rivalen Vodafone, der kürzlich die Erlaubnis zur Übernahme von Unitymedia erhielt. Zudem lasten die milliardenschweren Ausgaben für 5G-Lizenzen auf den Kassen der Telekomanbieter und beschränken zunächst die Fähigkeit, Dividenden zu zahlen./men/kro/fba