BERLIN (dpa-AFX) - Über die Nebenkostenabrechnung sollen Mieter nach Plänen der Bundesregierung keine TV-Kosten mehr zahlen müssen. Bisher ist dies der Fall - egal ob ein Mieter einen Kabelanschluss oder einen anderen Fernsehzugang haben will, die Kosten können auf ihn umgelegt werden. Diese Umlagefähigkeit wird in dem Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums nun gestrichen, am Mittwoch nahm das Bundeskabinett das Papier an. "Alle Mieter sollen die Chance haben, ihren Anbieter selbst zu wählen", begründete das Ministerium die Gesetzesänderung. "Das bisherige System hemmt die Wahlfreiheit der Verbraucher und den Wettbewerb im Telekommunikationssektor."

Es soll eine Übergangszeit von zwei Jahren geben - so lange können die Vermieter bei ihrer Nebenkostenrechnung weitermachen wie bisher. Nur in Gebäuden, in denen erst nach Inkrafttreten des Gesetzes eine neue Hausverteilanlage - als Technik samt Kabel - in Betrieb genommen wird, gibt es keine Übergangszeit.

Das Vorhaben ist umstritten. Eine deutliche Mehrheit der Bauminister der Länder hatte sich ebenso dagegen ausgesprochen wie der Deutsche Städtetag. Sie befürchten, dass der Preis für einen Kabelanschluss steigen wird. Denn bisher kostet so ein über die Nebenkosten abgerechneter Anschluss acht bis zehn Euro, ein Einzelvertrag eines Haushalts grob gesagt das Doppelte. Vor allem ärmere Menschen könnten also die Verlierer so einer Gesetzesänderung werden, warnen Kritiker.

Das sogenannte Nebenkostenprivileg stammt aus den 1980er Jahren, als der Ausbau des Kabelnetzes beschleunigt und die Anbieter begünstigt werden sollten. Inzwischen wertet das Bundeswirtschaftsministerium die Regelung als ein überflüssiges Relikt aus grauen Offline-Zeiten.

Nutznießer der Regel waren Kabelnetzbetreiber, allen voran Vodafone. Kippt die Umlagefähigkeit, drohen ihnen Umsatzeinbußen - schließlich könnten die Mieter sich dann für andere TV-Zugänge entscheiden, ob Satellit oder Internet über VDSL-Kupferkabel, wie es der Wettbewerber Deutsche Telekom anbietet. Für die Telekom wäre die Gesetzesänderung Rückenwind, um im Fernsehmarkt endlich richtig Fuß zu fassen.

Wird es höhere TV-Anschlusspreise geben, wenn das Gesetz in Kraft tritt? Davon geht das Wirtschaftsministerium nicht aus - im Gegenteil, der angefachte Wettbewerb wäre gut für den Verbraucher, so die Berliner Behörde.

Fraglich ist, ob die Abschaffung der Umlagefähigkeit den Glasfaser-Internetausbau in Deutschland abbremsen könnte. Teile der Telekommunikationsbranche betonen, dass die Aussicht, über den Vermieter einen großen, langfristigen Versorgungsvertrag zu bekommen, Investitionen erleichtere.

Werden diese Aussichten getrübt, könnte der Internetausbau ins Stocken geraten, so die Kritiker. "Die Bundesregierung fordert seit Jahren massive Investitionen in den Glasfaser- und Gigabit-Ausbau", sagte Thomas Braun, Präsident des Breitbandverbandes Anga, nach der Berliner Entscheidung. "Mit der Streichung der Umlagefähigkeit entzieht sie den Netzbetreibern aber die Grundlage für den weiteren Ausbau in den Häusern - und das in einer Situation, in der leistungsfähige Breitbandnetze wichtiger sind als je zuvor."

Das umfassende Gesetzesvorhaben enthält noch zahlreiche weitere Regelungen. So dürfen Telekommunikationsverträge zwar auch künftig 24 Monate lang laufen. Allerdings müssen die Anbieter auch eine 12-Monats-Variante anbieten, dessen Preis den des 24-Monats-Vertrags nicht um mehr als 25 Prozent überschreiten darf. Läuft der 24-Monate-Vertrag aus, soll er monatlich kündbar sein.

Außerdem sieht der Gesetzentwurf einen rechtlich abgesicherten Anspruch für alle Bürger auf die Versorgung mit Telekommunikationsdiensten vor. Zudem soll es etwa einen schnelleren und flächendeckenden Ausbau von Gigabitnetzen geben. Genehmigungsverfahren sollen vereinfacht werden.

Damit das Gesetz in Kraft tritt, fehlen noch die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. So könnte das Vorhaben noch entschärft werden, um die Sorgenfalten der Telekommunikationsbranche zu glätten./hoe/wdw/DP/eas