(Berichtigt wird in der Überschrift und im ersten Absatz, dass Spohr den Zeitpunkt der Rückzahlung offengelassen hat. Im zweiten Satz wurde das Zitat geändert.)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Lufthansa-Chef Carsten Spohr will eine Rückzahlung der deutschen Staatshilfen noch mit der derzeitigen Bundesregierung einleiten. "Wir würden gern noch mit den jetzigen Ansprechpartnern Klarheit schaffen", sagte der Chef von Deutschlands größtem Airline-Konzern am Montagabend beim Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW). Ob dies noch vor der Bundestagswahl geschieht, ließ er offen. Allerdings dürfte es nach der Wahl am 26. September noch einige Zeit dauern, bis eine neue Bundesregierung steht. So lange ist die Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weiterhin im Amt.

Spohr hatte im Juni das Ziel ausgegeben, die milliardenschweren Staatshilfen möglichst noch vor der Wahl zurückzuzahlen. Einen Kredit der Staatsbank KfW von einer Milliarde Euro hat die Lufthansa bereits zurückerstattet. Für die Rückzahlung der stillen Einlagen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds benötigt der Konzern jedoch eine Kapitalerhöhung, wie Spohr bekräftigte. Zu deren Umfang und Zeitpunkt wollte er sich jedoch nicht äußern. Finanzvorstand Remco Steenbergen hatte zuletzt von deutlich unter 3 bis 4 Milliarden Euro gesprochen.

Erst im zweiten Quartal hatte die Lufthansa weitere 1,5 Milliarden Euro aus der zweiten stillen Einlage des Bundes gezogen. Insgesamt hatte sie damit Staatshilfen in Höhe von 4 Milliarden Euro in Anspruch genommen. Das Geld stammt von Deutschland sowie den Nachbarstaaten Belgien, Österreich und Schweiz.

Die Rückzahlung aller Staatshilfen gilt auch als Voraussetzung für weitere Fusionen und Übernahmen unter Europas Fluggesellschaften. Denn so lange die Unternehmen der Branche staatlich gestützt werden, sind ihnen Zusammenschlüsse untersagt. Vor der Krise sei klar gewesen, dass es zu einer weiteren Konsolidierung kommen werde, sagte Spohr. Die Krise habe in diesem Prozess quasi die Pause-Taste gedrückt.

"In dem Moment, wo diese staatlichen Stabilisierungen zurückgezahlt werden, wird diese Pause-Taste wieder auf Play umswitchen", sagte der Manager. "Denn wir haben viel zu viele Airlines in Europa." So kämen die fünf größten Fluggesellschaften der USA zusammen auf einen Marktanteil von rund 80 Prozent, die größten fünf in Europa jedoch nur auf 40 Prozent.

Wegen der Corona-Pandemie und der damit verbundenen internationalen Reisebeschränkungen war Fluggesellschaften in aller Welt im vergangenen Jahr mit einem Mal der Großteil ihres Geschäfts weggebrochen. Viele entgingen nur dank staatlicher Milliardenhilfen der Pleite. Spohr erwartet, dass die Branche erst Mitte des Jahrzehnts wieder zu alter Größe zurückkehrt. Aber: "Auch ich kann Ihnen heute nicht sagen, ob es 2024 sein wird oder 2025." Im Sommer hatte sich das Passagiergeschäft der Lufthansa zwar wieder erholt, lag aber nur auf rund 50 Prozent des Vorkrisenniveaus.

Bis der Konzern seine Schulden wieder aus Gewinnen tilgen kann, wird es nach Spohrs Einschätzung noch mindestens ein Jahr dauern. Bis dahin schulde der Konzern lediglich um. Denn: "Wir sind lieber am Kapitalmarkt verschuldet als beim Steuerzahler."

Eine Rückkehr der Lufthansa in den deutschen Leitindex Dax steht für den Vorstandschef derweil nicht an erster Stelle. So habe es in der Krise gegolten, 110 000 der zuvor 140 000 Arbeitsplätze im Konzern zu retten und die Zukunft des Unternehmens zu sichern. Für die Finanzierungsmöglichkeiten der Lufthansa sei es nicht sonderlich relevant, dass sie nun nur noch im MDax gelistet ist, dem Index der mittelgroßen Werte. Es mache keinen großen Unterschied, ob man als Dax- oder als MDax-Unternehmen eine Finanzierung suche. Allerdings: "Ich war auch gern Dax-Vorstand", sagte er.

Mit Blick auf künftige Einreiseregelungen anderer Staaten hält Spohr ein Auskunftsrecht der Fluggesellschaften über den Impfstatus ihrer Flugzeugbesatzungen über kurz oder lang für unabdingbar. Schon jetzt ließen erste Staaten wie Hongkong nur noch geimpfte Flugzeug-Crews ins Land. Er rechnet damit, dass solche Regelungen international Schule machen. Was er dazu meine, sei irrelevant: "Wenn die Amerikaner sagen, nur noch geimpfte Crews kommen ins Land, dann ist die Meinung des Lufthansa-Chefs egal."

Bisher dürfen Arbeitgeber in den meisten Branchen in Deutschland ihre Beschäftigten nicht zu deren Impfstatus befragen. Restaurants oder Fluggesellschaften müssen zwar in vielen Fällen erheben, ob ihre Kunden geimpft, genesen oder getestet sind. Von den Mitarbeitern, die mit diesen Kunden in Kontakt kommen, können sie diese Information aber nicht verlangen. Nach Spohrs Einschätzung kann dies im Luftverkehr schon wegen der Regelungen anderer Staaten auf Dauer nicht so bleiben. "Es wird aus meiner Sicht Lösungen geben müssen, sonst können Sie den internationalen Flugbetrieb nicht aufrechterhalten."/stw/mne/stk