FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Deutsche Börse ist auf der Suche nach einem milliardenschweren Zukauf beim US-Stimmrechtsberater Institutional Shareholder Services (ISS) endlich fündig geworden. Dabei sollen 80 Prozent des insgesamt mit rund 1,9 Milliarden Euro bewerteten Unternehmens vom Finanzinvestor Genstar Capital erworben werden, wie der im Dax notierte Börsenbetreiber am Dienstagabend in Frankfurt mitteilte. Genstar und das ISS-Management sollen weiter mit 20 Prozent beteiligt sein. Die Deutsche Börse will den Kaufpreis mit einer Milliarde Euro Fremdkapital und den Rest aus Barmitteln bezahlen. Die Aktie legte vorbörslich leicht zu.

Der seit Anfang 2018 amtierende Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer schaut sich schon länger nach geeigneten Übernahmezielen um - zuletzt hatte er bei größeren Deals allerdings immer den Kürzeren gezogen und sich eher kleinere Fische geangelt. Mit Zukäufen vor allem außerhalb des Aktiengeschäfts oder dem dazugehörigen Derivate-Bereich will er den Konzern noch unabhängiger von den starken Schwankungen an diesen Märkten machen. Die Deutsche Börse ist im Vergleich zu Konkurrenten wie der Euronext bereits sehr breit aufgestellt.

ISS ist ein weiterer Zukauf, der in diese Strategie passt. Gemessen am erwarteten Nettoerlös für 2020 von mehr als 280 Millionen US-Dollar (rund 236 Mio Euro) wird das Unternehmen weniger als zehn Prozent zum Umsatz beisteuern. Das bis 2023 prognostizierte organische Erlösplus von durchschnittlich mehr als fünf Prozent passt zur Wachstumsstrategie Weimers. Die um Sondereffekte bereinigte Marge auf Basis des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) bei ISS in Höhe von zirka 35 Prozent liegt deutlich unter dem Konzernwert. Weimer sieht hier aber Potenzial durch die Übernahme.

So sollen die Umsatzsynergien bis 2023 zu einem zusätzlichen operativen Gewinn von 15 Millionen Euro pro Jahr führen. Die Partnerschaft würde beiden Unternehmen Wachstumschancen eröffnen, weil die Aktivitäten sich ergänzten. ISS liefert institutionellen Investoren Daten und Dienstleistungen im Bereich Unternehmensführung. "Die ESG-Expertise und das Leistungsspektrum von ISS auf der Datenseite ergänzen das Geschäftsmodell der Deutschen Börse über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg perfekt", sagte Weimer am Dienstagabend laut Mitteilung.

Am Mittwochnachmittag will er den Investoren seine Ziele und Strategie für die kommenden Jahre vorstellen. In den vergangenen drei Jahren ist es Weimer gelungen, den Konzern nach der turbulenten Phase unter dem früheren Chef Carsten Kengeter inklusive der geplatzten Fusion mit der London Stock Exchange (LSE) und Insidervorwürfen zu beruhigen. Am Finanzmarkt wird sein Kurs bisher honoriert. Der Börsenwert zog in seiner Amtszeit trotz einer Schwächephase in den vergangenen Wochen um fast 40 Prozent auf 25 Milliarden Euro an.

Damit zählt die Deutsche-Börse-Aktie in diesem Zeitraum zu den erfolgreichsten deutschen Standardwerten. International gesehen sieht es aber nicht so gut aus. Die LSE-Aktie legte in diesem Zeitraum mehr als 100 Prozent zu. Der Londoner Börsenbetreiber, der kurz vor der 27 Milliarden Dollar teuren Übernahme des Datenanbieters Refinitiv steht, wird derzeit umgerechnet mit 30 Milliarden Euro bewertet. US-Börsenbetreiber wie die CME oder die Intercontinental Exchange spielen mit umgerechnet 50 Milliarden Euro beziehungsweise 47 Milliarden Euro noch mal in einer anderen Liga./zb/ngu/stk