FRANKFURT (Dow Jones)--Der Stabwechsel im Aufsichtsrat der Deutschen Bank ist vollzogen. Die Aktionäre wählten Alexander Wynaendts auf der virtuellen Hauptversammlung in das Gremium, das er in den kommenden Jahren führen soll. Die Ära Paul Achleitner ist damit nach zehn Jahren beendet.

Wynaendts, der noch am Abend offiziell zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt werden soll, bekam 97,84 Prozent der Stimmen, wie Achleitner verkündete. Die Berufung des Niederländers, der lange den Versicherer Aegon führte, ist nicht komplett unumstritten. Fondsmanagerin Alexandra Anneke von der Union Investment hatte im Vorfeld der Hauptversammlung zwar nicht dessen Kompetenz in Zweifel gezogen, jedoch die "Ämterhäufung" des Managers kritisiert, der unter anderem den Verwaltungsräten von Air France-KLM und Uber angehört.

Auch wurden Vorwürfe laut, Wynaendts sei nicht ausreichend verdrahtet in der deutschen Wirtschaft und Politik und habe keine Hausmacht bei der Deutschen Bank. Dies ließ Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, in seiner Stellungnahme auf der virtuellen Hauptversammlung nicht gelten.

"Aus meiner Sicht kommt es doch bedeutender auf den CEO unseres Hauses an. Dieser muss das Netzwerk in der Deutschland AG haben und zur Politik, dieser muss eine Hausmacht haben und aus der Finanzbranche kommen", so Nieding. "Einen mindestens genauso vernetzten und verdrahteten Aufsichtsratsvorsitzenden brauchen wir meiner Meinung nach nicht, ja ein ebenso starker Chairman würde da womöglich Sand ins bislang gut geschmierte Getriebe bringen." Er plädierte dafür, Wynaendts mindestens ein Jahr Zeit zu geben, um die Aktionäre zu überzeugen.

Auch Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SDK) will dem neuen Chefkontrolleur einen Vertrauensvorschuss gewähren. Er solle beweisen, "dass Sie Deutsche Bank können", sagte er an Wynaendts gewandt.

Neben Wynaendts wurde Yngve Slyngstad, ehemaliger Chef des norwegischen Staatsfonds, mit 97,60 Prozent der Stimmen in den Aufsichtsrat gewählt.


   Freundliche Abschiedsworte für Achleitner 

Der scheidende Chefkontrolleur Achleitner wurde mit einem klaren Votum entlastet. Der Manager, der über die Jahre teils heftiger Kritik ausgesetzt war, bekam auf der Hauptversammlung zum Abschied vor allem versöhnliche Töne zu hören.

Achleitner habe "trotz diverser Rückschläge und Kritik nie aufgegeben und letztendlich die richtige Weichenstellung für die Deutsche Bank in die Wege geleitet", sagte etwa Deka-Portfoliomanager Andreas Thomae. Anneke von Union Investment danke dem "Fels in der Brandung" in ihrer Rede "ausdrücklich".

Aktionärsschützer Nieding wollte Achleitner denn auch nicht für die zahlreichen Skandale verantwortlich machen, die während seiner Amtszeit ans Licht kamen und die Bank insgesamt einen zweistelligen Milliardenbetrag kosteten. "Hätten Sie (..) gewusst, welche zehn Jahre vor ihnen liegen, Sie hätten bei allen Verlockungen einer der prestigeträchtigsten Aufgaben, die die deutsche Wirtschaft zu vergeben hat, mindestens mehrmals überlegt, ob Sie sich das antun", so Nieding.

Man könne Achleitner allenfalls vorwerfen, zu lange an früheren Vorständen wie Anshu Jain, Jürgen Fitschen und John Cryan festgehalten zu haben. Mit dem seit vier Jahren amtierenden Vorstandschef Christian Sewing, der ein umfassendes Restrukturierungsprogramm in die Wege geleitet und die Bank in den Augen vieler Beobachter wieder auf Kurs gebracht hat, habe Achleitner "ein außerordentlich glückliches Händchen bewiesen."

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May 19, 2022 11:17 ET (15:17 GMT)