Das Unternehmen braucht nach Verzögerungen bei großen Projekten frisches Geld - zwei Insidern zufolge rund 100 Millionen Euro -, um weitermachen zu können. Die Gespräche mit den Gläubigerbanken und zwei Hedgefonds sowie dem eigenen Großaktionär Centerbridge dauerten an, teilte Senvion am Montag mit. "Im Zusammenhang mit diesen Gesprächen evaluiert die Gesellschaft derzeit sowohl alle verfügbaren gerichtlichen als auch außergerichtlichen Reorganisationsoptionen". Gerichte spielen in Deutschland erst bei der Insolvenz eine Rolle. Wenn sich die Gläubiger nicht noch vorher einigten, könne diese eine Frage von Tagen sein, hieß es in Finanzkreisen.

Mehrheitsaktionär Centerbridge hat im Januar Dokumenten zufolge bereits 40 Millionen Euro eingeschossen. Die Hedgefonds Anchorage und Davidson Kempner, die inzwischen die Mehrheit an einer 400 Millionen Euro schweren Anleihe mit großen Abschlägen aufgekauft haben, sind bereit, das Geld als Kredit zur Verfügung zu stellen. Die Banken - allen voran die Deutsche Bank und die BayernLB - müssten dem aber zustimmen. Sie haben Senvion insgesamt 950 Millionen Euro geliehen. Hedgefonds haben es in der Regel auf einen Tausch von Krediten in Anteile am Unternehmen abgesehen. Erst wenn klar ist, wer Senvion noch Geld gibt, kann ein Sanierungsgutachten fertiggestellt werden, das zeigt, ob das Unternehmen mit 4000 Mitarbeitern dauerhaft überlebensfähig ist. Das Gutachten soll bis Ende April vorliegen.

Verzichten müssten die Banken Insidern zufolge zunächst auf nichts. "Ein Schuldenschnitt ist nicht nötig", betonte einer von ihnen. Senvion sitzt auf einem fünf Milliarden Euro schweren Berg von Aufträgen. Doch Managementfehler hatten den Konzern in eine Zwangslage gebracht. Senvion kommt mit der Abarbeitung der Projekte nicht nach, was zu Umsatzausfällen und Strafzahlungen an Kunden geführt hat. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz daher nur bei 1,45 Milliarden statt der erhofften 1,6 Milliarden Euro. Der bereinigte operative Gewinn (Ebitda) betrug nur die Hälfte der eingeplanten 80 Millionen Euro.

Seit Jahresbeginn ist der ehemalige GE-Manager Yves Rannou dabei, den Rückstand aufzuholen und das Unternehmen neu zu ordnen. Er plant eine "Verschlankung des Produktportfolios", um die Kosten zu senken, sowie Sparmaßnahmen in der Beschaffung und der Produktion. Doch dabei droht ihm nun die Zeit davon zu laufen.

Der Finanzinvestor Centerbridge war vor vier Jahren günstig an Senvion gekommen, weil dessen indischer Eigentümer Suzlon in Engpässe geraten war. Einschließlich Verbindlichkeiten lag der Unternehmenswert damals bei einer Milliarde Euro, Centerbridge zahlte rund 400 Millionen. Der ehemalige Schaeffler-Chef Jürgen Geißinger führte Senvion 2016 an die Börse. Dort ist die Firma heute gerade noch 90 Millionen wert.