FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach einer langen Krise hat die Deutsche Bank ausgerechnet im zweiten Corona-Jahr 2021 wieder einen Milliardengewinn erzielt. Der Vorstand sieht Deutschlands größtes Geldhaus auf Kurs zu seinen Zielen für 2022. Doch im Vergleich zu Großbanken aus vielen anderen Ländern backt der Dax-Konzern immer noch kleine Brötchen. Was bei der Deutschen Bank los ist, was Analysten sagen und wie sich die Aktie entwickelt.

DAS IST LOS BEI DER DEUTSCHEN BANK:

Erneut schwarze Zahlen in einem Gesamtjahr, dieses Mal sogar ein Milliardenüberschuss - Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing dürfte am Donnerstag (27. Januar) mit Stolz die Bilanz für das Jahr 2021 präsentieren. Doch der deutsche Branchenprimus hat längst nicht alle selbstgesteckten Ziele erreicht, und das Umfeld für Banken bleibt schwierig.

Sewing war im April 2018 auf den Chefposten der Bank gerückt und hatte dem Institut eine grundlegende Neuaufstellung verordnet - inklusive des Abbaus Tausender Stellen. Er stutzte das Investmentbanking, aus dem weltweiten Aktienhandel zog sich die Deutsche Bank ganz zurück.

Nicht aufgegangen ist bislang der Plan, die Abhängigkeit des Instituts vom schwankungsanfälligen Kapitalmarktgeschäft zu verringern. Nach Einschätzung von Analysten dürfte die hauseigene Investmentbank im vergangenen Jahr mit gut 3,8 Milliarden Euro als einzige Sparte des Konzerns beim Vorsteuergewinn die Milliardengrenze überschritten haben. Zum Vergleich: Im Privatkundengeschäft erwarten die Experten im Schnitt gerade einmal 600 Millionen Euro Gewinn vor Steuern.

Finanzvorstand James von Moltke hatte dem "Handelsblatt" Anfang Januar gesagt, er rechne im laufenden Jahr im Investmentbanking "mit einer Normalisierung, also mit etwas geringeren Erträgen". Der Vorstand gehe davon aus, dass das Geschäft mit Unternehmens- und Privatkunden "eine größere Rolle als Wachstumstreiber übernehmen" werde.

Rückenwind erhofft sich das Geldhaus von seinen jüngsten verbesserten Bonitätsnoten. "Wir schätzen, dass die Rating-Herabstufungen in der Vergangenheit uns Erträge im dreistelligen Millionenbereich gekostet haben", sagte von Moltke. "Nach den Heraufstufungen im vergangenen Jahr sehen wir, dass Kunden wieder mehr Geschäft mit uns machen." Die großen Ratingagenturen Standard & Poor's, Moody's und Fitch hatten ihre Noten für die Bank 2021 angehoben.

Den Konzernumbau, der letztlich teurer war als geplant, sieht Konzernchef Sewing auf der Zielgeraden, wie er Ende Oktober betonte: "Insgesamt haben wir bereits 90 Prozent der erwarteten Belastungen durch die Transformation geschultert und sind auf bestem Weg, die Umbaukosten bis Ende des Jahres fast vollständig verdaut zu haben."

Nun muss das Management die Investoren noch davon überzeugen, dass die Bank auch dauerhaft genug Geld verdient. "Das Renditeziel von acht Prozent ist unser Nordstern, die zentrale Orientierung für die gesamte Bank und den gesamten Umbau", versicherte Finanzchef von Moltke Anfang Januar. Er sei "sehr zuversichtlich", dass die Bank ihre Vorgaben im laufenden Jahr erfüllen werde.

Schon Ende Oktober hatte Sewing bekräftigt, die Bank sei "auf einem sehr guten Weg, um eine Rendite auf das materielle Eigenkapital von 8 Prozent nach Steuern zu erreichen, die wir uns für 2022 vorgenommen haben". Am 10. März will der Vorstand den Investoren darlegen, wie Deutschlands größtes Geldhaus in den kommenden Jahren in Sachen Profitabilität weiter zulegen könnte.

Ein erster Lichtblick für die Aktionäre: Sewings bisherige Bilanz macht Hoffnung, dass die Deutsche Bank nach zwei Nullrunden für das Geschäftsjahr 2021 wieder eine Dividende zahlt.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die von der Bank bis 18. Januar befragten Branchenexperten rechnen für 2021 mit einem Vorsteuergewinn von rund 3,5 Milliarden Euro. Nach Abzug von Steuern und Minderheitsanteilen Dritter würden davon noch 2,1 Milliarden Euro übrig bleiben. Davon gehen noch Zinszahlungen an die Inhaber von Nachranganleihen ab, sodass auf die Aktionäre ein Überschuss von gut 1,6 Milliarden Euro entfallen dürfte. Dabei sollte die Bank davon profitiert haben, dass sie deutlich weniger Geld für mögliche Kreditausfälle zurücklegen musste als im Corona-Jahr 2020.

Im Schlussquartal 2021 rutschte das Frankfurter Geldhaus nach Einschätzung der Analysten jedoch unter dem Strich wieder in die roten Zahlen - unter anderem wegen Kosten für den Konzernumbau. Zuvor hatte das Institut fünf Quartale in Folge positiv abgeschlossen. Im Gesamtjahr 2020 hatte die Deutsche Bank nach fünf Verlustjahren in Folge mit 113 Millionen Euro erstmals unter dem Strich wieder Gewinn erzielt.

Nachdem die Aktionäre wegen des Konzernumbaus für 2019 und 2020 auf eine Dividende verzichten mussten, können sie nun wieder mit einer Ausschüttung rechnen. Analysten gehen im Schnitt von 30 Cent je Aktie aus. Das wäre mehr als in den Jahren 2015 bis 2018, aber immer noch weniger als die 75 Cent, die die Deutsche Bank jeweils für die Jahre 2009 bis 2014 ausgeschüttet hatte.

Dass der Konzern seine Eigenkapitalrendite im laufenden Jahr wie geplant auf 8 Prozent steigert, halten Branchenexperten hingegen nicht für realistisch. Im Schnitt gehen sie von lediglich 5,5 Prozent aus - auch wenn der auf die Aktionäre entfallende Überschuss den Schätzungen zufolge auf etwa 2,8 Milliarden Euro steigen wird. Im abgelaufenen Jahr dürfte die Rendite wegen der Kosten für den Konzernumbau nur 3,4 Prozent erreicht haben.

Insgesamt blicken Analysten durchaus zuversichtlich auf die Deutsche-Bank-Aktie. Unter den 14 aktuellen Studien, die die Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX und die Nachrichtenagentur Bloomberg erfasst haben, sind fünf Kaufempfehlungen und sechs Halteempfehlungen. Nur drei der Experten raten zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 12,70 Euro.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Anteilseigner der Deutschen Bank sind seit Langem leidgeprüft. Nicht nur, dass der Aktienkurs sein Rekordniveau aus der Zeit vor der Finanzkrise 2008/2009 nicht einmal annähernd wieder erreicht hat. Mit Kursen um die 11 Euro wird das Papier nur zu einem Bruchteil dessen gehandelt, was Anleger noch im Jahr 2007 dafür bekamen. Auch seit Sewings Antritt als Vorstandschef im April 2018 ging es für die Aktie zunächst weiter abwärts.

Erst nach Vorlage der Jahresbilanz 2019 legte das Papier im Februar 2020 vorübergehend bis auf 10,37 Euro zu. Doch wenig später riss der Corona-Crash an den Finanzmärkten auch den Deutsche-Bank-Kurs bis auf 4,449 Euro nach unten. Seitdem hat er sich wieder ein gutes Stück berappelt und überschritt Mitte Januar 2022 zwischenzeitlich die Marke von 12,50 Euro. Mit den jüngsten Marktturbulenzen ließ auch das Deutsche-Bank-Papier zuletzt wieder Federn.

Insgesamt wird die Deutsche Bank an der Börse derzeit mit rund 23 Milliarden Euro bewertet und damit rund zweieinhalbmal so hoch wie ihre heimische Rivalin Commerzbank. Im Vergleich zu einigen ausländischen Großbanken ist das Institut beim Börsenwert jedoch weiterhin ein Zwerg: So kommt die französische BNP Paribas auf eine Marktkapitalisierung von mehr als 75 Milliarden Euro, die spanische Banco Santander immerhin auf 52 Milliarden.

Konkurrenten aus den USA wie Goldman Sachs mit einem Börsenwert von umgerechnet 106 Milliarden Euro und JPMorgan mit 379 Milliarden Euro wirken wie aus einer anderen Welt. Kein Wunder: Haben die US-Institute auch im vergangenen Jahr ein Vielfaches dessen verdient, was bei der Deutschen Bank unter dem Strich übrig geblieben sein dürfte./stw/ben/nas/mis